Grauer Star

Andere Ursache als bisher angenommen

Der Graue Star, die im Alter einsetzende Trübung der Linse, ist weit verbreitet. Die Erkrankung dürfte allerdings auf molekularer Ebene eine andere Ursache haben als bisher vermutet, berichten Forscherinnen und Forscher.

Nicht fehlgebildete Proteine in der Augenlinse, sondern ein offenbar altersbedingt gestörtes Gleichgewicht der drei häufigsten Linsenproteine sollen die zentrale Rolle für die Entstehung der Augenkrankheit sein, wie Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München und der Medizinuni Graz herausgefunden haben.

Schleichende Krankheit

Der Verlauf der Erkrankung gestaltet sich in den meisten Fällen schleichend: Erstes Anzeichen ist oft eine erhöhte Blendungsempfindlichkeit, dann lässt die Sehkraft und die Wahrnehmung von Kontrasten nach und die Umwelt wird zunehmend grauer wahrgenommen. Die genauen Prozesse bei der Entstehung der Krankheit sind allerdings noch nicht vollständig aufgeklärt.

Die hohe Brechkraft der menschlichen Augenlinse beruht auf einer hoch konzentrierten Mischung aus Eiweißen (Proteinen). Wenn die gelösten Proteine jedoch aggregieren und auskristallisieren, kommt es zur Trübung der sonst glasklaren Augenlinse – Grauer Star ist die Folge. Forscherinnen und Forscher bemühen sich, die molekularen Grundlagen zu identifizieren, die zum Verklumpen der Proteine führen. Die deutsch-österreichische Gruppe unter der Leitung von Philipp Schmid und Johannes Buchner (Technische Universität München) hat laut Mitteilung der Medizinuni Graz einen dafür verantwortlichen, grundlegenden Mechanismus aufgeklärt.

Gestörtes Gleichgewicht

Dazu haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Zusammensetzung und Trübung der Augenlinsen von jungen und alternden Mäusen mit und ohne Veranlagung zum Grauen Star untersucht: „Entgegen der vorherrschenden Annahme, haben wir herausgefunden, dass die Verklumpung nicht durch eine Abnahme an schützenden Alpha-Kristallin Proteinen verursacht wird“, beschrieb der Grazer Strukturbiologe Tobias Madl vom Gottfried Schatz Forschungszentrum der Med-Uni Graz das überraschende Ergebnis. Wie die Forscherinnen und Forscher im Journal „Nature Structural and Molecular Biology“ darlegten, konnten sie vielmehr beobachten, dass das Gleichgewicht der drei häufigsten Proteine in der Linse – jenes der Alpha-, Beta-, und Gamma-Kristalline – in jenen Linsen, die Grauen Star entwickelten, besonders stark gestört war.

Mit verschiedenen Methoden wie der Röntgenkleinwinkelstreuung (SAXS) wiesen sie die Verklumpung der Proteine direkt in der intakten Augenlinse nach. „Mittels SAXS konnten wir zum ersten Mal sogar die innere Struktur der Kristalline in intakten Augenlinsen aufklären. Damit haben wir eine Technologie entwickelt, die es ermöglicht, die genaue Wirkungsweise von Therapeutika für Grauen Star zu untersuchen, und vielleicht Alternativen für Operationen zu bieten“, dachte Madl die Sache weiter. Die bisher gängige Methode der Behandlung ist eine Operation, bei der künstliche Linsen ins Auge eingesetzt werden.

“Weiter Weg“ für neue Wirkstoffe

Aus Sicht der beteiligten Forscher und Forscherinnen können die gewonnenen Erkenntnisse die Grundlage zu neuen Therapiemöglichkeiten bilden: So könnte die Verhinderung der Verklumpung von Augenlinsenproteinen eine neue pharmakologische Strategie für Patienten und Patientinnen mit Grauem Star darstellen.

„Die Entwicklung auf darauf beruhenden Wirkstoffen wird noch ein weiter Weg“, betonte Madl jedoch. Die bisherigen Erkenntnisse würden aber jedenfalls zeigen, dass die Grundlagenforschung „essenzielle Impulse für Innovationen“ setzte, wie der Grazer Forscher betonte.