Archiologische Fundstätte: Skelette im Potočani-Massengrab
Kupferzeit

Das Massaker von Potočani

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben 41 Skelette untersucht, die vor 6.200 Jahren im heutigen Potočani in Kroatien verscharrt wurden. Die Analyse belegt: In der Kupferzeit kam es dort zu wahllosen Morden an Männern, Frauen und Kindern.

Prähistorische Gewalt als Forschungsgegenstand: Im Rahmen ihrer Studie haben die Forscher um Ron Pinhasi von der Universität Wien und Mario Novak vom Institute for Anthropological Research in Zagreb die DNA der in Kroatien entdeckten Knochen unter die Lupe genommen. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Fachblatt „Plos One“ berichten, handelt es sich dabei um Überreste von 21 männlichen und 20 weiblichen Individuen.

Ein Viertel davon waren Kinder, ein weiteres Viertel Jugendliche zwischen elf und 17 Jahren und die Hälfte Erwachsene zwischen 18 und 50 Jahren, als sie erschlagen wurden. Das geschah offenbar von der Seite oder hinten am Kopf, wie Spuren an den Schädeln dokumentierten.

„Die Form der Verletzungen zeigt, dass die Menschen aus der Grube in Potočani mit verschiedenen Waffen und Werkzeugen der damaligen Zeit getötet wurden“, erklärte Novak der APA. Die meisten Verletzungen kommen wahrscheinlich von Holz- und Geweihkeulen, manche von Steinäxten, Steinhämmern oder Kupferbeilen.

Opfer nicht verwandt

Laut Erbgutanalysen waren die meisten Opfer (70 Prozent) nicht näher verwandt. Sie stammten von einer großen Gruppe eines Hirtenvolkes, das zur „Lasinja Kultur“ gezählt wird. „Wir können laut den genetischen Daten mit Sicherheit sagen, dass die Leute, die in Potočani massakriert wurden, einer großen Population von hunderttausenden Menschen angehörten“, so Pinhasi. Alle Opfer hatten gleichermaßen einen Erbguthintergrund von jungsteinzeitlichen Bauern aus Anatolien, in den sich knapp zehn Prozent westeuropäisches Jäger- und Sammler-Erbe hineingemischt hat. Es handle sich also nicht um eine neu ankommende, genetisch „gebietsfremde“ Gruppe.

Ein paar Verwandtschaftsbanden gab es dennoch unter den Opfern: So waren darunter ein junger Mann mit seinen zwei Töchtern und einem Neffen und ein Bub mit seiner Tante oder Halbschwester. „Die Gewaltattacke war demnach auf eine kleine, zusammengewürfelte Gruppe in einer Gemeinschaft von vielen Familiengruppen gerichtet und nicht auf einige wenige Familien in der Gemeinschaft“, schreiben die Forscher in ihrem Fachartikel.

Mord, nicht Kampf

Weil die Opfer wahllos Männer, Frauen und Kinder verschiedensten Alters waren, handle es sich um einen Massenmord, und nicht um einen Kampf zweier bewaffneter Trupps. Sie wurden wohl auch nicht in irgendwelchen religiösen Riten geopfert.

Nach dem Massaker wurden die Toten wohl rasch verscharrt. „Man kann dieses Massenbegräbnis definitiv nicht als normal für die damalige Zeit bezeichnen“, so Novak: Damals wurden die Menschen in Mitteleuropa einzeln in „Hockerlage“ auf der Seite liegend mit einem hübschen Keramikgefäß als Beigabe bestattet. „Entweder haben die eigenen Leute sie in Eile begraben oder sie wurden von jenen verscharrt, die jene fürchterliche Tat begangen haben, wie man aus dem mangelnden Respekt gegenüber den Verstorbenen schließen kann“, meint er.

Ursache unbekannt

Die Studie zeigt, dass es wahlloses Morden im großen Stil schon in der Kupferzeit gab, erklärten die Forscher. Wie oft so etwas passierte, wollen sie mit weiteren Untersuchungen von menschlichen Überresten aus mehreren anderen Massengräbern herausfinden.

Warum das Massaker begangen wurde, konnten die Forscher freilich nicht klären. Sie vermuten, dass schlechte Klimabedingungen und ein großes Bevölkerungswachstum in der damaligen Zeit die Situation der Menschen verschlechterten und Feindschaften verschärften. Solche Untaten gab es demnach also schon lange, bevor sich die ersten Reiche und Staaten bildeten. Bei vielen heutigen Massenmorden könne man beobachten, dass Anführer oft verschiedenste Gruppen als „die Anderen“ stigmatisieren. Das dürfte wohl auch in der Kupferzeit der Fall gewesen sein, vermuten die Forscher.