Eine Ärtzin im Sudan zieht eine Spritze mit Coronavirus-Impfstoff auf
AFP – EBRAHIM HAMID
AFP – EBRAHIM HAMID
Coronavirus

Blockieren Patente die Pandemiebekämpfung?

Entwicklungsländer fordern, Patente auf Covid-19-Impfstoffe vorübergehend auszusetzen, um die Pandemie schneller zu bekämpfen. Unterstützt werden sie dabei von NGOs. Das Aussetzen von Patenten allein würde nicht viel bringen, meinen hingegen andere. Man müsste vielmehr die Technologie teilen.

Zum achten Mal erfolglos blieben am Mittwoch die Verhandlungen der Mitgliedsländer der WTO über die Aufhebung der Patente auf Coronavirus-Impfstoffe. Indien und Südafrika hatten die Patentaussetzung angeregt. Mittlerweile wird sie von mehr als 100 Ländern unterstützt. Die vorübergehende Aufhebung der Patente soll die Impfstoffproduktion ankurbeln.

Schwierige Zwangslizensierungen

Patente auf Arzneimittel seien eine relativ neue Angelegenheit, erklärte der Jurist und Ökonom Carlos Correa vom Schweizer South Center diese Woche bei einem Webinar, organisiert von VIDC und ÖFSE. „In Europa haben Länder wie Frankreich oder Deutschland erst ab den 1960er Jahren Patente auf Arzneimittel gewährt“. In Portugal und Spanien war dies sogar erst ab 1995 möglich. Besiegelt wurde der Paradigmenwechsel durch das TRIPS-Übereinkommen der WTO, welches unter anderem vorsieht, dass Medikamente patentierbar sein müssen.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 11.3., 13:55 Uhr.

„Damit wurden legale Monopole geschaffen, denn die Patentinhaber können nun jene Preise verlangen, die der Markt hergibt“, sagt Correa. Zwar gebe es durch die 2001 erstrittene Doha-Erklärung die Möglichkeit der Zwangslizensierung, in der Praxis sei eine solche jedoch kaum umsetzbar. „Hat ein Entwicklungsland eine Zwangslizensierung angestrebt, gab es bisher immer viel Druck, politischen und ökonomischen Druck, diesen Mechanismus nicht anzuwenden.“

Technologie statt Patente teilen

Patente aufzugeben, um auch anderen die Herstellung von Impfstoff zu ermöglichen, sei zwar ein guter Ansatz, sagt der Wirtschaftsethiker Markus Scholz von der FH Wien der WKW. Die Produktion von Impfstoff sei aber technisch so kompliziert, dass man zusätzlich zu den Patenten auch Technologie teilen müsste. „Dazu gibt es auch schon Plattformen, von der WHO eingerichtet, die Technologie teilen in der Coronavirus-Pandemie ermöglichen, die werden aber im Moment überhaupt nicht genutzt.“ Der im Mai 2020 eingerichtete „covid-19 technology access pool“ ist bis heute leer geblieben.

Vorbild für diese Form des Teilens ist der vor zehn Jahren eingerichtete Patente-Pool für HIV-Medikamente. Durch ihn konnte der Zugang zu leistbaren Generika verbessert werden. „Anfang des Jahrhunderts starben 8.000 Menschen täglich an Aids, obwohl bereits Medikamente vorhanden waren“, sagt Fatima Hassan, südafrikanische Menschenrechtsanwältin und Aktivistin. Während ein Generikum in Thailand für 29 US-Cents verfügbar war, kostete das Medikament in Südafrika, wo es ein Monopol von Pfizer gab, 8,25 US-Dollar. „Erst durch einen Wettbewerb der Generika ist es gelungen, den Preis zwischen 2000 und 2006 massiv zu reduzieren“, so Hassan. Zuvor hätten Monopole eine Preisreduktion verhindert.

Es wird nicht gern geteilt

„Das Teilen von Patenten ist für die Pharmaindustrie, so wie für jede Industrie, extrem schmerzhaft,“ sagt der Wirtschaftsethiker Markus Scholz. Das Teilen von Technologie sei noch schmerzhafter und bereite den Unternehmen daher auch berechtigte ökonomische Sorgen. Die Pharmaindustrie habe in der Pandemie viel geleistet und in Rekordzeit Impfstoffe entwickelt. Nun müssten die Pharma-Unternehmen auch eine globale und auch leistbare Versorgung mit diesen Impfstoffen sicherstellen. Neben moralischen Gründen würde auch die Gefahr eines erheblichen Reputationsverlustes die Unternehmen davon abhalten, ihre komplette Marktmacht auszuspielen, denkt Scholz. Immerhin konnten die Pharmaunternehmen ihre Reputation in der Krise wiederherstellen.

Man würde der Pharmaindustrie unrecht tun, wenn man sie allein für die Probleme in der Impfstoffversorgung verantwortlich mache. „So einfach ist es auch nicht für Pharmaunternehmen zu kooperieren. Es gibt immer noch ein Kartellrecht, das dem entgegenspricht.“ Es brauche auch den klaren politischen Willen, rechtliche Normen zumindest temporär aufzuheben, ist Scholz überzeugt. Dieser politische Wille ist derzeit jedoch nicht gegeben, wie die gescheiterten Verhandlungen bei der WTO zeigen.