Ein vertrocknetes Getreidefeld bei Magdeburg
AFP – TOBIAS SCHWARZ
AFP – TOBIAS SCHWARZ
Dürren in Europa

Seit 2.000 Jahren noch nie so trocken

Die Sommer der vergangenen Jahre in Europa sind trockener gewesen als in über 2.000 Jahren zuvor: Das zeigt eine neue Studie, die mittels Baumringen die klimatischen Bedingungen in Mitteleuropa seit der Römerzeit nachzeichnet. Die außergewöhnlichen Dürren sind auf die Klimaerwärmung zurückzuführen.

Europa erlebte etwa in den Jahren 2003, 2015 und 2018 extreme sommerliche Hitzewellen und Dürren. Die Folgen hatten nicht nur Land- und Forstwirtschaft betroffen, sondern auch die Zahl der Hitzetoten nach oben schnellen lassen, schreibt ein Team um Ulf Büntgen von der Universität von Cambridge in der Studie, die soeben im Fachblatt „Nature Geoscience“ veröffentlicht wurde. Tatsächlich starben alleine 2018 weltweit fast 300.000 Menschen durch extreme Hitzewellen, heißt es etwa in der Fachzeitschrift „The Lancet“.

„Wir sind uns alle der Häufung von außergewöhnlich heißen und trockenen Sommern bewusst, die wir in den letzten Jahren hatten“, fasst Büntgen, Erstautor der aktuellen Studie, zusammen. „Aber wir brauchten präzise Rekonstruktionen der historischen Bedingungen, um zu sehen, wie diese jüngsten Extreme im Vergleich zu früheren Jahren ausfallen.“

Isotopenanalyse von Bäumen

Für diese Einordnung nahmen Büntgen und seine Kollegen mehr als 27.000 Messungen an Baumringen von 147 Eichen vor, die einen Zeitraum von 2.100 Jahren (75 v. Chr. bis 2018) abdeckten. Die Proben stammten unter anderem aus archäologischen Überresten und historischem Baumaterial, aber auch von lebenden Bäumen aus der heutigen Tschechischen Republik und Teilen des südöstlichen Bayerns.

Aus jedem der Baumringe extrahierten und analysierten die Forscher und Forscherinnen dann die stabilen Kohlenstoff- und Sauerstoffisotope. Während sich normale Baumringmessungen auf Ringbreite und Holzdichte beschränken, spiegeln die hier untersuchten stabilen Isotope die physikalischen Bedingungen und die Reaktionen der Bäume darauf wider.

Baumringe eine der untersuchten Eichen
Ulf Büntgen
Baumringe einer der untersuchten Eichen

„Die Kohlenstoffwerte hängen von der photosynthetischen Aktivität ab, die Sauerstoffwerte werden durch das Quellwasser beeinflusst. Zusammen korrelieren sie eng mit den Bedingungen der Wachstumsperiode“, führt Koautor Paolo Cherubini aus.

Auf diese Weise ergäben die stabilen Isotope der Jahresringe „ein viel genaueres Archiv, um die Hydroklimabedingungen in gemäßigten Gebieten zu rekonstruieren, wo herkömmliche Studien mit Jahresringen oft versagen“, ergänzt Jan Esper von der Universität Mainz.

Kontinent wird immer trockener

In der Rekonstruktion zeigten die Baumring-Isotopdaten, dass es in Europa zum einen sehr feuchte Sommer gab, so etwa in den Jahren 200, 720 und 1100 n. Chr., aber auch sehr trockene Sommer wie in den Jahren 40, 590, 950 und 1510 n. Chr. Insgesamt sei der Kontinent in den vergangenen zwei Jahrtausenden allmählich immer trockener geworden.

Die Proben aus den Jahren 2015 bis 2018 offenbarten aber zudem, dass die Dürrebedingungen der vergangenen Sommer weitaus gravierender waren als in den 2.100 Jahren zuvor. „Nach Jahrhunderten eines langsamen, signifikanten Rückgangs haben wir einen drastischen Einbruch erlebt, was besonders für die Land- und Forstwirtschaft alarmierend ist“, kommentiert Mitautor Mirek Trnka. „Das beispiellose Waldsterben in weiten Teilen Mitteleuropas bestätigt unsere Ergebnisse.“

Vergrößerung eine der Eichen
Ulf Büntgen
Vergrößerung einer der Eichen

Klimaerwärmung verändert Polarjetstream

Die Forscher und Forscherinnen führen die beobachtete Häufung der ungewöhnlich trockenen Sommer auf die vom Menschen verursachte Klimaerwärmung und die damit verbundenen Veränderungen der Position des Polarjetstreams zurück. Dieser gehört zu den beiden großen Windbändern, die das Temperaturgefälle zwischen den Polen und dem Äquator ausgleichen und großen Einfluss auf unser Wetter ausüben.

Tatsächlich hatte eine andere internationale Studie ergeben, dass die Wellen des Polarjetstreams während des Hitzesommers 2018 ins Stocken geraten waren. „Der Klimawandel bedeutet nicht, dass es überall trockener wird: Mancherorts wird es vielleicht feuchter oder kälter, aber extreme Bedingungen werden häufiger, was für die Landwirtschaft, die Ökosysteme und die Gesellschaft insgesamt verheerend sein könnte“, prognostiziert Büntgen.