Menschen in Südafrika mit Corona-Masken
AFP – PHILL MAGAKOE
AFP – PHILL MAGAKOE

Impfstoffe: Arme Länder haben das Nachsehen

In Europa wurde in den vergangenen Tagen über eine angeblich ungerechte Verteilung von CoV-Impfstoffen diskutiert – global betrachtet sieht das Bild ganz anders aus: Alle EU-Länder haben wesentlich mehr Impfstoffdosen bestellt, als sie eigentlich brauchen, während die ärmsten Länder auf Unterstützung angewiesen sind.

Rechnet man alle Bestellungen zusammen, liegt die Impfstoffabdeckung der Bevölkerung in Italien bei fast 400 Prozent, in Deutschland bei 370 Prozent und in Ländern wie Österreich oder Bulgarien erreicht man 340 Prozent. In diesem Wettbewerb um die schnellste Impfstoffversorgung haben ärmere Länder das Nachsehen: Die Afrikanische Union konnte nur für 38 Prozent der Bevölkerung des Kontinents Impfungen bestellen. Wann diese Dosen geliefert werden, ist großteils unklar, auch hier kommt es zu Verzögerungen.

Einkaufsgemeinschaft für die Ärmsten

Ein Ungleichgewicht, dass die Initiative Covax der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ausgleichen möchte. Covax ist eine Einkaufsgemeinschaft für Impfstoffe, an der sich mehr als 190 Nationen beteiligen. Eingebunden ist auch das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, UNICEF, das über viel Erfahrung bei der Impfstoffversorgung der Ärmsten verfügt. Schon vor der Coronavirus-Pandemie organisierte die UNICEF jedes Jahr zwei Millionen Impfungen, etwa gegen Polio oder Masern.

Ziel ist, dass die reicheren Covax-Nationen spenden und so Impfstoffe für die ärmeren Nationen gekauft werden können, sagt Christoph Jünger, Geschäftsführer von UNICEF Österreich. „Österreich hat beispielsweise 2,4 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um Impfstoff für ärmere Länder anzukaufen“, so Jünger gegenüber science.ORF.at. UNICEF hat auch entsprechendes Dashboard erstellt, dass einen Überblick über Impfstoffe, Einkäufe und Kapazitäten gibt.

20 Prozent sollen geimpft werden

Insgesamt hofft man auf zwei Milliarden Impfdosen, die man an ärmere Nationen verteilen möchte. Noch klafft eine Finanzierungslücke von mehr als 20 Milliarden Euro. Ziel der Initiative ist es, zumindest 20 Prozent der Bevölkerung ärmerer Länder so schnell wie möglich gegen Covid-19 impfen zu können und zwar gemäß der WHO-Richtlinie.

„Die besagt, dass zuerst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Gesundheits- und Sozialberufen zu impfen sind, gefolgt von Risikogruppen wie älteren Menschen“, so Jünger. Für die UNICEF zählen auch Lehrerinnen und Lehrer zu diesen 20 Prozent, die unbedingt geimpft werden sollen. „Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass Schulen immer die ersten Institutionen sind, die aufmachen und auch die letzten sind, die schließen, sollte es das Pandemiegeschehen notwendig machen“, so der UNICEF-Geschäftsführer.

Kinder profitieren indirekt von Impfung

Von einer gerechten globalen Verteilung von Impfdosen würden gerade Kinder profitieren, sagt Jünger. Denn die indirekten Auswirkungen der Pandemie träfen die Jüngsten besonders, viele Fortschritte der vergangenen Jahre seien verloren. „Die Zahl der Kinder, die hungern, die isoliert sind, die missbraucht werden, die Angst haben, die in Armut leben oder die zur Heirat gezwungen werden, steigt“, so Jünger. Das hätte das erste Jahr der Pandemie gezeigt.

Sich bei einer globalen Pandemie nur um die Durchimmunisierung der eigenen Bevölkerung zu kümmern, greife zu kurz, sagt Jünger. Das sei nicht nur unsolidarisch, das Coronavirus kenne auch keine Grenzen. Ein globaler Impfplan sei also dringend notwendig: Will man die akute Ausbreitung des Coronavirus bzw. möglicher neue Mutationen stoppen, müsse man die Pandemie auch weltweit bekämpfen, heißt es dazu von der Weltgesundheitsorganisation.