Alm mit Kühen in der Sonne in Österreich
APA/BARBARA GINDL
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Coronavirus

Infektionswellen werden nicht vom Wetter bestimmt

Das Wetter allein ist nicht für den „saisonalen Verlauf“ der Coronavirus-Ausbreitung im vergangenen Jahr verantwortlich gewesen, so ein aktueller Bericht der Weltorganisation für Meteorologie. Politische Maßnahmen und menschliches Verhalten waren die treibenden Faktoren.

Mit dem Frühling geht auch die Hoffnung einher, dass die höheren Temperaturen die Coronavirus-Neuinfektionen bremsen. Eine Hoffnung, die nun von der Wissenschaft relativiert wird. Ein interdisziplinäres Team der Weltorganisation für Meteorologie (WMO) hat eine Vielzahl wissenschaftlicher Publikationen, die bis Anfang Jänner dieses Jahres veröffentlicht wurden, analysiert und kommt zum Ergebnis, dass der „saisonale Verlauf“ im vergangenen Jahr nicht auf Wetterfaktoren zurückzuführen sei.

Menschliches Verhalten ausschlaggebend

„Die Ergebnisse in den Studien sind sehr gemischt“, erzählt Rosa von Borries, die am Bericht der WMO mitgearbeitet hat. Es scheinen aber primär politische Maßnahmen, wie etwa Maskenpflicht und Mobilitätseinschränkungen, für die Reduktion des Infektionsgeschehens im vergangenen Sommer verantwortlich zu sein. Und Jahreszeiten hätten natürlich auch einen indirekten Einfluss, da Menschen aufgrund des Wetters ihr Verhalten ändern. „Wenn es kalt oder sehr heiß ist oder wenn es regnet, dann halten sich Menschen tendenziell in Innenräumen auf und dann verlagert sich auch das Transmissionsgeschehen nach Innen.“ Und Innen finden viel mehr Übertragungen statt als draußen.

Zwar gebe es Hinweise, dass Sars-CoV-2, wenn es kalt und trocken ist, länger überlebt, dabei handle es sich aber um Laboruntersuchungen, räumt die Expertin für Public Health ein. „Wenn sich im Labor feststellen lässt, dass eine höhere Temperatur zu einer tendenziell geringeren Überlebensfähigkeit von Sars-CoV-2 führt, dann lässt sich daraus nicht direkt schließen, dass es bei höheren Temperaturen zu einer geringeren Übertragung des Virus kommt.“ Von den kontrollierten Laborbedingungen könne man nicht direkt Rückschlüsse auf das reale Infektionsgeschehen ziehen.

Saisonalitäts-Mechanismen noch nicht geklärt

Genährt wird die Hoffnung auf eine Saisonalität des Coronavirus durch die Saisonalität, die andere respiratorische Virusinfektionen aufweisen, gerade in gemäßigten Klimazonen. Doch auch beim Influenzavirus sei noch nicht eindeutig geklärt, was für den Herbst-Winter-Peak verantwortlich ist, sagt Rosa von Borries. Prinzipiell könne man von drei Hauptmechanismen ausgehen, wie Wetterfaktoren auf Viruserkrankungen wirken. Erstens: Temperatur, Luftfeuchtigkeit oder UV-Strahlung können direkt auf Viren wirken, ihre Überlebensfähigkeit und Stabilität beeinflussen.

Zweitens können Wetterfaktoren und Luftverschmutzung auch die menschliche Immunantwort oder das Immunsystem an sich beeinträchtigen. „Man geht beispielsweise davon aus, dass kalte und trockene Bedingungen dazu führen, dass der Selbstreinigungsmechanismus der Bronchien gestört sein kann.“ Eine Schwächung des Immunsystems würde wiederum dazu führen, dass man anfälliger für Erkrankungen ist. Bei Covid-19 gibt es Hinweise, dass Luftverschmutzung die Symptome verschärfen und die Sterblichkeitsraten erhöhen könnte.

„Dabei muss man aber sagen, dass auf jeden Fall diese Ergebnisse noch mal vermehrt bestätigt werden müssen“, gibt die WMO-Expertin zu bedenken. Die Herausforderung bei Studien zu Luftqualität sei, dass die Daten auf Bevölkerungsebene erhoben werden. Es sei schwierig, daraus Rückschlüsse auf Individuen zu ziehen. Denn man könne nicht genau sagen, wie stark das Individuum der Luftverschmutzung ausgesetzt war.

Unsichere Datenlage erfordert klare Kommunikation

Der dritte Mechanismus, wie das Wetter auf Viren wirken könnte, sei der indirekte Weg über die Veränderung menschlichen Verhaltens, erklärt Rosa von Borries. „Bei schlechtem Wetter, wenn sich Menschen vermehrt drinnen aufhalten, spielen die Bedingungen in den Innenräumen eine größere Rolle.“ Für das Influenzavirus konnte auch nachgewiesen werden, dass der Schulkalender und vor allem die Ferienzeiten einen indirekten Einfluss auf das Infektionsgeschehen haben.

Prinzipiell hätte man, was Sars-CoV-2 betrifft, noch wenig Daten für epidemiologische Studien zur Verfügung. Umso wichtiger sei es, klar zu kommunizieren, ist die Mitarbeiterin des WMO Covid-19 Task Teams überzeugt. „Es müssen auch Unsicherheiten und Limitationen von Studie sehr deutlich kommuniziert werden, damit eben keine falschen Schlüsse gezogen werden.“ Wie etwa, dass die Pandemie im Sommer vorbei wäre.