Kühe im Stall
APA/dpa/Swen Pfšrtner
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Landwirtschaft

Klimaneutrales Fleisch wäre viel teurer

Manche Lebensmittel sind viel zu billig. Wie Forscherinnen und Forscher berechnet haben, müsste etwa Rindfleisch weltweit um mindestens die Hälfte, Milch mindestens um ein Fünftel teurer sein, um die Landwirtschaft klimaneutral zu machen. Ärmeren Ländern könne man eine solche Verteuerung allerdings nicht zumuten.

Die Landwirtschaft und die von ihr verursachten Treibhausgase wie Methan und Lachgas werde in Zusammenhang mit der Erderwärmung nach wie vor drastisch unterschätzt, schreiben die Forscherinnen und Forscher um Nicoletta Brazzola von der ETH Zürich in der soeben im Fachblatt „PLOS ONE“ erschienenen Studie. Insgesamt sei die Nahrungsmittelerzeugung für 21 bis 37 Prozent der menschengemachten Treibhauseffekte verantwortlich.

Wenn die CO2-Emissionen zurückgehen, werde der Einfluss von Methan und Lachgas noch größer werden, vor allem weil durch den weltweiten Wohlstand der Fußabdruck der begehrten Lebensmittel noch größer werden wird. Dass die Menschen freiwillig in großem Stil auf Fleisch und Milchprodukte verzichten werden, halten die Autoren für wenige wahrscheinlich. Wenn sich die derzeitige Entwicklung fortsetzt, seien die Pariser Klimaziele nur schwer umzusetzen, befürchten Brassola und ihre Kollegen. Es brauche also dringend neue Wege, um die Produktion von Lebensmitteln – allen voran Fleisch- und Milchprodukte – nachhaltiger und klimafreundlich machen.

Steuer zur Kompensation

Um die negativen Folgen von Ackerbau und Viehzucht zu bekämpfen, schlagen die Studienautoren nun ein spezielles Besteuerungssystem vor. Es soll nicht primär die Emissionen drosseln, indem es Menschen vom Fleisch- und Milchkonsum abhält, vielmehr soll es der Finanzierung von Negativemissionen dienen.

Rindfleisch beim Fleischhändler (USA)
AFP/NICHOLAS KAMM
Fleisch müsste teurer werden

Darunter versteht man alle Maßnahmen, die CO2 binden können. Dazu zählen eher günstige und sanfte Methoden wie Aufforstung genauso wie mitunter umstrittene teure geotechnologische Lösungen, z.B. könnte man CO2 mit chemischen Prozessen aus der Luft filtern und das Gas im Untergrund einlagern. Um solche Kompensationsmethoden zu finanzieren, gingen die Forscherinnen und Forscher von einem Durchschnittswert von 150 Dollar (umgerechnet etwa 125 Euro) pro Tonne entferntes CO2 aus. Dann berechneten sie, wie teuer Rindfleisch, Milch und Reis in den USA bzw. weltweit sein müssten, damit alle landwirtschaftlichen Emissionen auf diese Weise ausgeglichen werden könnten.

Preisaufschlag bei Fleisch und Milch

Im Schnitt koste das Kilogramm Rindfleisch in den USA derzeit 2,6 Dollar, schreiben die Autoren. Mit der neuen Steuer würde es 21 bis 41 Prozent teurer sein, also maximal 5,1 Dollar kosten. Der globale Preis von Rindfleisch sei deutlich niedriger, daher wäre hier ein Aufschlag von 58 bis 115 Prozent notwendig. Die Reispreise müssten weltweit um 29 bis 57 Prozent steigen, in den USA um bis zu 14. Milch ist in den USA billiger und müsste dort daher um 20 bis 40 Prozent teurer werden, global um elf bis 21.

Zumindest in Industrienationen könnte das einen gewünschten Nebeneffekt haben, denn durch die Verteuerung würden die klimaschädlichen Produkte auch ihren Reiz für die Konsumenten verlieren. „In gewissen Industrienationen, wo der Überkonsum von emissionsintensiven Nahrungsmitteln problematisch ist, könnte dieser Ansatz den Übergang zu nachhaltigeren Ernährungsformen erleichtern“, sagt Brazzola dazu in einer Aussendung. Für Europäer seien die Zusatzkosten überschaubar. Und wenn die Nachfrage sinkt, könne sich das wiederum positiv auf die landwirtschaftlichen Emissionen auswirken.

Klimaneutral, aber asozial

In Entwicklungsländern sei ein solches Modell aber kaum umsetzbar, betonen die Studienautoren. „Das stellt uns vor ein Dilemma: Eine solche Maßnahme wäre zwar klimagerecht, aber asozial“, so Koautor Anthony Patt. Man müsste also irgendwie sicherstellen, dass eine derartige Verteuerung nicht in erster Linie die allerärmsten Haushalte in Weltregionen trifft, wo die Versorgung ohnehin oft mangelhaft. Generell haben die Forscherinnen und Forscher Zweifel, ob sich ein solches Steuermodell durchsetzbar ist. Aber ganz ohne unpopuläre Maßnahmen wird sich die Erderwärmung vermutlich schwer aufhalten lassen.