Verbotstafel, auf der Erwachsene Kinder schlagen
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Psychologie

Strenge Erziehung lässt Kindergehirne schrumpfen

Nicht erst körperlicher oder sexueller Missbrauch schädigt die Gehirnentwicklung von Kindern: Schon wiederholte Schläge oder ständiges Anbrüllen führen laut einer neuen Studie dazu, dass bestimmte Gehirnregionen nachweislich schrumpfen. Betroffen sind Bereiche, die mit der Verarbeitung von Gefühlen zu tun haben.

Die Studienergebnisse gingen weit über die Gehirnveränderungen hinaus, sagt die Hauptautorin Sabrina Suffren von der Universität Montreal. „Es ist wichtig für Eltern und die Gesellschaft zu verstehen, dass häufige strenge Erziehungsmaßnahmen die Entwicklung des Kindes beschädigen können – sozial wie auch emotional.“

Suffren und ihre Kolleginnen haben nach Eigenangaben zum ersten Mal empirisch untersucht, wie sich strenge Erziehung – darunter verstehen sie Anschreien, Schläge und Wutausbrüche von Seiten der Eltern – auf das Gehirn von Kindern auswirkt. Dazu verfolgten sie die Entwicklung von knapp 100 Kindern von ihrer Geburt bis ins Teenageralter, wie sie in einer Studie schreiben, die soeben in der Fachzeitschrift „Development and Psychology“ erschienen ist.

Wie nach schwerem Missbrauch

Als die Kinder zwischen zwei und neun Jahren alt waren, wurden per Fragebogen zum einen der Erziehungsstil der Eltern eingeschätzt und zum anderen die Gefühls- bzw. Angstzustände der Kinder erhoben. Im Alter zwischen zwölf und 16 scannten die Forscherinnen und Forscher ihre Gehirne dann per MRT. Dabei zeigte sich, dass die streng erzogenen Kinder einen kleineren präfrontalen Cortex und eine kleinere Amygdala haben als Gleichaltrige. Beide Gehirnregionen spielen eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Gefühlen sowie beim Auftreten von Angst und Depression.

Ähnliche Schrumpfphänomene hatte sich in früheren Studien nach schwerem körperlichen Missbrauch von Kindern gezeigt. Doch offenbar reichen dafür auch schon die wiederholten „g‘sunden Watschen“. Diese sind zwar laut der UNICEF-Kinderrechtskonvention und in Österreich auch per Gesetz seit über 30 Jahren verboten. Laut jüngsten Umfragen meint hierzulande aber rund ein Fünftel, dass manchmal „drastische Erziehungsmaßnahmen notwendig sind“.