Frau spricht in das Ohr eines Mannes
Artsem Martysiuk – stock.adobe.com
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Fremdsprachen

Sprachmelodie hilft bei der Worterkennung

Zu erkennen, wo in einer Fremdsprache ein Wort endet und das nächste beginnt, ist eine Herausforderung. Die Sprachmelodie dürfte ein helfender Faktor sein, wie eine Studie der Uni Wien zeigt.

Hört man eine fremde Sprache, fällt es oft schwer, einzelne Worte im Sprachfluss voneinander zu unterscheiden. Vor dieser Herausforderung stehen Kleinkinder, die ihre Erstsprache erlernen genauso wie Erwachsene, die sich eine Fremdsprache aneignen wollen – also zu identifizieren, welche Silbenkombinationen zu einem Wort gehören und welche Silben zu verschiedenen Worten gehören. Die Linguistin Theresa Matzinger wollte folglich untersuchen, ob die Sprachmelodie einen Einfluss auf dieses Erkennen habe, also ob Tonhöhe, Silbenlänge und Pausen hilfreiche Ansatzpunkte sein können.

Außerirdische Kunstsprache für Experiment

Für ihre Studie, die soeben in „Frontiers in Psychology“ erschienen ist, erfand sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen vom Institut für Anglistik und des Departments für Verhaltens- und Kognitionsbiologie der Universität Wien eine einfache Kunstsprache: Diese Alien-Sprache besteht aus vier Worten, die 360 deutschsprachigen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern in zufälliger Reihenfolge vorgespielt wurde. Im Anschluss mussten die Teilnehmenden jene Worte der „außerirdischen“ Kunstsprache aus einer Liste auswählen, die sie erkannt hatten.

Forschende des Instituts für Anglistik und des Departments für Verhaltens- und Kognitionsbiologie untersuchten, wie die Sprachmelodie das Erkennen von Wortgrenzen beeinflusst.
Marie-Therese Pekny

Die Teilnehmenden wurden in sechs Gruppen eingeteilt: Bei der ersten war die letzte Silbe jedes Wortes verlängert, in der zweiten verkürzt, in der dritten und vierten Gruppe war die letzte Silbe jedes Wortes höher bzw. tiefer gesprochen. Und in den beiden Kontrollgruppen gab es einmal keinerlei sprachmelodische Hinweise, also eine monotone Aneinanderreihung der Silben, und einmal klar akzentuierte Pausen zwischen den Worten.

Pausen und verlängerte Endsilben helfen

Wie erwartet, habe die Kontrollgruppe mit den klaren Pausen am besten abgeschnitten, sagt Matzinger. „Für uns war dann besonders interessant, dass jene Gruppe, bei der die letzte Silbe der Worte verlängert war, die Wortgrenzen ebenfalls sehr gut erkannt hat“, so die Linguistin weiter. Diese Gruppe habe fast so gut abgeschnitten, wie jene, die klare Pausen zwischen den Wörtern hörte.

Bei verkürzten Silben am Wortende verhielt es sich genau umgekehrt: Hier wurden die Worte noch schlechter erkannt als in der Kontrollgruppe ohne sprachmelodische Veränderungen. Matzinger führt den Unterschied zwischen verlängerten und verkürzten Silben auf unsere Sprachproduktion zurück: Man wisse aus vielen Sprachen, dass Sprechende vor einem Atemzug oder Beenden eines Satzes nicht abrupt absetzen, sondern langsamer werden und die letzte Silbe verlängern – dieses universelle Signal dürfte auch beim Erlernen einer Fremdspreche hilfreich sein. Verkürzte Silben am Wortende, die hingegen in unserer Sprachproduktion kaum vorkommen, helfen auch bei der Worterkennung nicht.

Tonhöhe kein universales Hilfsmittel

Auch Verschiebungen in der Tonhöhe waren hilfreich, der beobachtete Effekt war allerdings kleiner. Das führen die Forschenden ebenfalls auf ein bekanntes Prinzip zurück: Wird ein Satz beendet, gehen Sprechende mit der Tonhöhe nach unten, wird etwa eine Frage gestellt, endet ein Satz mit einem Ansteigen der Tonhöhe. Diese Variation zeige also ebenfalls das Ende eines Satzes und damit eines Wortes an, aber nicht so konsistent wie die Verlängerungen, so Matzinger.

Wie gut die Tonhöhe beim Worterkennen hilft, sei aber kein universales Phänomen, erklärt die Linguistin. Die Betonung einzelner Silben wird nämlich auch durch die Tonhöhe bestimmt und das sei in vielen Sprachen unterschiedlich. Bei der Verlängerung der letzten Silbe scheint es dagegen anders zu sein: Das sogenannte Phrase final lengthening scheint in allen Sprachen hilfreich zu sein, resümieren die Forschenden. „Das ist vergleichbar mit Laufen, wenn Menschen schnell unterwegs sind, bleiben sie auch nicht abrupt stehen, sondern kommen langsam zum Stillstand“, so Matzinger. Beim Sprechen dürfte das sehr ähnlich sein.