Landwirt spritzt Felder
dpa/Patrick Pleul
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Schädlingsbekämpfung

Weniger Pestizide, aber mehr Gift

Pestizide sind aus der modernen Landwirtschaft nicht wegzudenken. Sie sollen unerwünschte Insekten und Unkraut vernichten, um hohe Erträge zu sichern. Eine neue US-Studie zeigt, dass zwar heute geringere Mengen dieser Chemikalien zum Einsatz kommen als vor ein paar Jahrzehnten, die Menge des Gifts in der Umwelt aber steigt.

Schädlingsbekämpfungsmittel haben sich seit Anfang der 1990er Jahre verändert. Mussten sie früher in großen Mengen eingesetzt werden, um unerwünschte Insekten und Unkraut zu vernichten, beseitigen moderne Mittel Schädlinge viel gezielter, erklärt der Leiter der US-Studie, Ralf Schulz von der Universität Koblenz-Landau. „Manche Wirkstoffe sind sehr, sehr viel giftiger geworden und werden in sehr viel geringeren Mengen eingesetzt: nicht mehr zwei oder drei Kilogramm pro Hektar, sondern unter Umständen nur mehr sechs, zehn oder 15 Gramm pro Hektar.“

Folgen für Umwelt

Wie die Analysen von Schulz und seinem Team für die US-amerikanische Landwirtschaft zeigen, hat diese Entwicklung im Untersuchungszeitraum 1992 bis 2016 positive wie auch negative Folgen für andere Tiere und Pflanzen, die eigentlich nicht Ziel der Pestizide sind.

War die breite Wirksamkeit früherer Pflanzenschutzmittel etwa für Säugetiere und Vögel eine Gefahr, zeigt sich nun, „dass die Giftigkeit der Pflanzenschutzmittel gegenüber Wirbeltieren generell eher gesunken ist, gegenüber Vögeln und Säugetieren sogar sehr stark“.

Dass heute verwendete Chemikalien gezielter bestimmte Organismen wie Insekten angreifen, macht sie aber zu einem großen Problem für Bestäuber wie Bienen, Insektenlarven bis hin zu Krebstieren in angrenzenden Gewässern. „Viele Insektizide zum Beispiel wirken auf das Nervensystem oder sonst auf den Stoffwechsel der Organismen, und der unterscheidet sich im Prinzip wenig bis gar nicht zwischen den Zielorganismen und den Nichtzielorganismen.“ Demnach sind wirbellose Tierarten heute in Summe mehr giftigen Chemikalien ausgesetzt als noch Anfang der 1990er Jahre, auch wenn die totale Menge an Pestiziden abgenommen hat, so das Ergebnis der Studie.

Als hauptsächliche Quellen identifiziert Schulz beliebte Pestizide aus der Gruppe der Neonicotinoide sowie Pyrethroide. „Die machen zusammen den größten Teil des Insektizideinsatzes in den USA aus.“

Pflanzengifte: Problem mit Resistenzen

Ein vergleichbares Bild zeigt sich bei Unkrautvernichtungsmitteln: Auch hier ist die Menge an giftigen Chemikalien in der Umgebung von Feldern gestiegen – mit möglichen Folgen für Blumen und Kräutern an den Rändern. „Die bilden zum Teil weniger Samen aus, sind also weniger fruchtbar. Zum Teil zeigen Studien, dass durch den Einsatz von Glyphosat bestimmte Pflanzenarten verschwunden sind.“

Hinter der Zunahme an Pflanzengiften steckt der Widerstand der Schädlingspflanzen. Sie entwickeln Resistenzen gegen die Mittel. „Das gilt zum Beispiel für Glyphosat, das in den USA sehr stark eingesetzt wird. Landwirte sind dadurch gezwungen, neben Glyphosat auch noch andere Herbizide einzusetzen. Das trägt dazu bei, dass insgesamt mehr Toxizität ausgebracht wird.“

Obwohl man auf Feldern mit genetisch veränderten Nutzpflanzen wie Mais und Weizen ein anderes Bild erwarten könnte, ist die Entwicklung auch hier vergleichbar. „Mit dem Anbau genetisch veränderter Pflanzen ging immer auch das Versprechen einher, dass dort weniger Pflanzenschutzmittel notwendig sind. Unsere Daten zeigen, dass sich der Einsatz nicht verändert. Vermutlich, weil es auch hier Probleme mit Resistenzen gibt“, so Schulz.

EU: Vermutlich ähnlicher Trend

Eins zu eins übertragen lässt sich die Studie auf Europa nicht, da der Pestizidmarkt stärker reglementiert ist als in den USA. Trotzdem kamen bzw. kommen auch hier vergleichbare Tier- und Pflanzengifte in der Landwirtschaft zum Einsatz.

So dürfen seit 2018 beispielsweise Neonicotinoide wie Clothianidin, Imidacloprid, Thiamethoxam und Thiacloprid nicht mehr im Freien eingesetzt werden. Über eine Notfallzulassung haben einige Länder sie für den Einsatz bei Zuckerrüben aber wieder erlaubt – auch Österreich.

Schulz rechnet deswegen auch in Europa mit einer vergleichbaren Entwicklung während der vergangenen 25, 30 Jahre, wonach das Gift für wirbellose Tiere und Pflanzen in den vergangenen Jahrzehnten gestiegen ist.