Mikrofotografie einer dünnen Scheibe geschockter Quartzkörner aus einer Impakt-Probe von der Ries-Einschlagsstelle
APA/NHM WIEN/L. FERRIéRE
APA/NHM WIEN/L. FERRIéRE
Geologie

Als Steine über Europa regneten

Vor rund 15 Mio. Jahren ist ein Asteroid in Süddeutschland eingeschlagen. Dort verursachte er nicht nur einen Krater, sondern ließ auch Steine über Mitteleuropa regnen. 180 Kilometer vom Krater entfernte Überbleibsel davon haben Forscherinnen und Forscher nun untersucht.

Das Ergebnis des Impakts eines geschätzt mindestens einen Kilometer großen Asteroiden ist das im Durchmesser rund 24 Kilometer große Nördlinger Ries. Bei der Struktur handelt es sich um einen der meisterforschten unter den heute rund 200 bekannten Einschlagskratern auf der Erde.

Chemischer Fingerabdruck

Bereits im Jahr 2012 hoben Forscherinnen und Forscher in der Nähe von Bernhardzell im Osten der Schweiz Gesteinsproben, die mit dem für die Region zur damaligen Zeit äußerst prägenden Einschlag in Verbindung stehen. Danach analysierten sie die Ursache für die Entstehung des rund zehn Zentimeter dicken „Blockhorizonts“ in den dortigen Gesteinsschichten, wie der Meteoritenexperte Ludovic Ferrière vom Naturhistorischen Museums Wien (NHM) Wien erklärte. Diese dort zugängliche Ablagerung hebt sich nämlich deutlich von dem sonstigen Gestein ab. Sie enthält auch die für Asteroideneinschläge typischen sogenannten Strahlenkegel.

Unter anderem mittels chemischen- und Isotopenanalysen wurde nun das Alter der Struktur und deren Zusammensetzung im Sinne eines „Fingerabdruckes“ ermittelt. Obwohl der Ries-Einschlag und seine Auswirkungen immer wieder im wissenschaftlichen Fokus stehen, „gibt es noch viel darüber zu lernen“, ist Ferrière überzeugt. So ließ sich erst in den vergangenen Jahren der große Knall nun sehr präzise vor 14,8 Millionen Jahre datieren. Dabei helfen moderne Analysen von Auswurfmaterial in mehreren Gegenden Mitteleuropas. So wurden etwa auch in Niederösterreich sogenannte Tektite (Moldavite) gefunden. Das sind seltene, wenige Zentimeter kleine grüne Glasstrukturen, die im Zuge des Ries-Einschlages vor allem im heutigen Tschechien herabregneten.

Polierter Anschnitt eines Moldavit (gefunden 2003; Bezirk Hollabrunn, Niederösterreich, in Kunstharz eingegossen).
APA/NHM WIEN/A. SCHUMACHER
Polierter Anschnitt eines Moldavit (gefunden 2003; Bezirk Hollabrunn, Niederösterreich, in Kunstharz eingegossen).

Geschockter Quarz in weiten Teilen Europas

Neben den Strahlenkegeln fand das Team in der Ostschweiz einen weiteren „rauchenden Colt“. In der nun im Fachmagazin „Scientific Reports“ veröffentlichten Arbeit zeigte man, dass es sich hier um Auswurfmaterial in Form von „geschocktem Quarz handelt, den wird mit dem Ries in Verbindung bringen konnten“, erklärte Ferrière.

Die Entfernung der Rückstände dieses Materialniederschlages derart weit weg vom eigentlich „relativ kleinen Krater“ zeige, wie groß die Auswirkungen des Asteroiden zumindest auf weite Teile Europas waren. „Die Konsequenzen waren durchaus nicht vernachlässigbar“, so der Wissenschaftler, der in der Folge auch nach noch weiter entfernten Relikten etwa Frankreich oder in Italien suchen möchte. Die neuen Erkenntnisse werden auch dabei helfen, die Modelle über den Ablauf des Ereignisses zu verbessern.

Auch in Österreich müssten sich noch deutlich mehr als die wenigen bisher gefundenen und teils im NHM ausgestellten Moldavite finden lassen, ist Ferrière überzeugt. Hier handelt es sich um unter großem Druck und Hitze umgeformtes Material aus den oberen Schichten der Einschlagstelle, das über Hunderte Kilometer geschleudert wurde.

Sponsoring-Initiative für Ausstellung

Insgesamt sind solche Tektite sehr rar: Sie wurden bisher gar nur im Umkreis von vier Einschlagevents weltweit gefunden. Die seltensten darunter tauchten bisher in der Elfenbeinküste auf. Sie entstanden bei der Bildung des Bosumtwi-Krater im heutigen Ghana vor rund einer Million Jahre.

Der Kurator möchte diese raren Überbleibsel nun durch eine Sponsoring-Initiative für die Sammlung und Ausstellung im NHM erwerben. Darunter findet sich auch der mit einem Gewicht von über 76 Gramm bisher größte gefundene Vertreter seiner Art, der für rund 9.500 Euro zu haben ist. „Diese drei angebotenen Exemplare wären wirklich zum Herzeigen gedacht. Ich würde es nicht wagen, sie für die Forschung aufzuschneiden und zu zerstören. Das ist wirklich wie ein Picasso oder Klimt für ein Museum“, sagte Ferrière.