Helikopter-Drohne „Ingenuity“ und Mars-Rover „Perseverance“ auf dem Roten Planeten
NASA/JPL-Caltech
NASA/JPL-Caltech
„Ingenuity“

Heli-Flug auf dem Mars: Countdown läuft

Stephan Weiss von der Universität Klagenfurt ist einer der Entwickler der Helikopter-Drohne „Ingenuity“. Dem Jungfernflug auf dem Mars fiebert der Forscher „gespannt“ entgegen: Schief gehen könne nämlich einiges.

Die NASA bemühte im Vorfeld bereits Vergleiche zum Erstflug der Brüder Wright im Jahr 1903 – für Weiss ein in Teilaspekten legitimer Vergleich. Am 17. Dezember 1903 hoben die Brüder Wright in North Carolina zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte mit einem motorisierten Flugzeug ab. Ein kleines Stück Stoff aus dem historischen Flugzeug wurde an einem Kabel des 1,8 Kilogramm schweren Mini-Hubschraubers befestigt.

Start in der Nacht auf Montag

Frühestens am 11. April könnte der Erstflug am Roten Planeten gelingen. Rund 30 Sekunden soll „Ingenuity“ in der dünnen Atmosphäre um den Mars-Rover „Perseverance“ schweben – so der ehrgeizige Plan.

„Die Gebrüder Wright haben die Aerodynamik zum ersten Mal verstanden und richtig eingesetzt“, so Weiss im Gespräch mit der APA: „Hier ist nun die Aerodynamik natürlich bekannt. Nichtsdestotrotz fliegen wir zum ersten Mal auf einem anderen Planeten.“ Insofern sei der Vergleich „nachvollziehbar. Wenn man aber technisch ins Detail geht, scheiden sich natürlich die Geister“, sagte der Leiter des Instituts für Intelligente Systemtechnologien der Uni Klagenfurt.

Mittels Kameras und einer am Jet Propulsion Laboratory (JPL) des California Institute of Technology (Caltech) entwickelten Software soll dem kleinen Hightech-Gerät die Orientierung gelingen. Letztendlich will man dann auch die Topografie der Umgebung festhalten. Die Drohne wartet derzeit nun in dem ausgetrockneten See „Jezero Crater“ auf ihren Einsatz.

Stephan Weiss in der Drohnenflughalle der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
APA/AAU/DANIEL WASCHNIG
Stephan Weiss in der Drohnenflughalle der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

Weiss setzt sich seit seiner Dissertation an der ETH Zürich mit der Entwicklung von innovativen Kamera-basierten Orientierungs- und Navigationssystemen auseinander. Zwischen 2012 und 2015 war er in der Sache am JPL tätig, wo er seine Ideen weiter verfolgen konnte. Weiss und sein Team sind als einer der Entwickler des Algorithmus des nun am Mars angewendeten Systems weiter am wissenschaftlichen Projekt beteiligt.

Was alles schief gehen kann

Zuletzt ging es in Besprechungen u.a. um das Sichten der Bilder im Umfeld des Helikopters, der sich am Roten Planeten nicht anhand von GPS-Daten orientieren kann. Um kamerabasiert und autonom fliegen zu können, kann das System nämlich einzig die am Mars aufgenommenen Bilddaten zur Navigation heranziehen.

„Ein Eingreifen von der Erde aus ist während des Flugs nicht möglich, weil die Signale einfach zu lange dauern um da irgendwelche Interaktionen im Flug da bewerkstelligen zu können“, betonte Weiss gegenüber Ö1. Trotz der konturarmen Umgebung, die dadurch nicht viele markante Anhaltspunkte bietet, „schaut alles eigentlich recht gut aus.“

Marshubschrauber „Ingenuity“ und Marsrover „Perseverance“ in einer Illustration
NASA/JPL-Caltech

Die Liste an Dingen, die potenziell schief gehen können, ist trotzdem „fast endlos“, was auch die Forschung der Gruppe an der Kärntner Uni immer wieder zeige. Sie reicht von einem Sandkorn, das einen mechanischen Ablauf stört, über den möglichen Verlust von Daten durch Strahlungseinflüsse bis zu ungünstigen Windverhältnissen in der dünnen Marsatmosphäre. Ungünstige Kombinationen an Einflüssen während des Fluges könnten die Drohne überdies destabilisieren, erklärte der Wissenschaftler.

Der Druck auf den Startknopf

Für Weiss dominiert jedoch der optimistische Blick auf den kommenden Sonntag: „Schon dass wir so weit gekommen sind, ist natürlich höchst erfreulich.“ Es fehle eben einzig der Druck auf den Knopf zum Start der Rotoren, die in der kaum vorhandenen Atmosphäre 2.537 Umdrehungen in der Minute schaffen müssen. Weiss: „Die Rotoren werden sich sicher drehen. Was danach passiert – da ist man immer vorsichtig.“

Alles hoffe natürlich auf ein erstes Abheben. Schafft man es in weiterer Folge, ein Quadrat zu fliegen, gebe das schon gute Aufschlüsse, wie genau die Algorithmen die Drohne etwa wieder zum Ausgangspunkt bringen können, erklärte Weiss: „Das gibt dann aus technischer Sicht eine sehr gute Basis.“

Das gesamte Team warte nun auf die ersten Bilder der Navigationskamera der Drohne nach dem ersten Flugversuch. Die können dann auch „mit unseren Algorithmen auf der Erde getestet werden“. Sich nämlich in derart kontrastarmen Umgebungen auch auf der Erde automatisiert fliegend fortzubewegen, sei eine sehr interessante Forschungsfrage.

Der geht das Team auch im Rahmen der Mars-Analog-Missionen „AMADEE-20“ nach, die vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF) organisiert wird. In Mars-ähnlicher Umgebung in der Wüste Israels soll im Herbst im Experiment „AMAZE“ die Kamera-basierte Navigation ebenfalls erprobt werden.