Vertrocknete Maispflanze
Christian Schwier – stock.adobe
Christian Schwier – stock.adobe
Kleine Eiszeiten

Aus der Klimageschichte lernen

Die Klimaerwärmung ist kein neues Phänomen – auch frühere Gesellschaften hatten mit teils dramatischen Veränderungen zu kämpfen. Wissenschaftler haben nun untersucht, wie sich Gemeinschaften anpassen konnten und was davon auf die Gegenwart übertragbar ist.

Historische Wechselwirkungen zwischen Klima und Gesellschaft waren der Fokus einer kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature“ erschienenen Studie. Teil des internationalen Forschungsteams ist der Klimahistoriker Martin Bauch vom Leibniz-Institut für Geschichte und Kultur des östlichen Europa (GWZO) in Leipzig.

Er erklärt: „Ein Schwerpunkt unserer Forschung galt zwei Perioden, die als ‘Kleine Eiszeiten‘ bezeichnet werden – zum einen in der Spätantike des 6. Jahrhunderts und zum anderen von 1300 bis 1800. Die genauen Datierungen sind aber umstritten.“ Beide Perioden waren jedenfalls von starken Vulkanaktivitäten geprägt, die rasche Klimaveränderungen vorantrieben.

Die Anpassung italienischer Stadtstaaten

Missernten, Hungersnöte und viele Tote waren oft die Folgen solcher Klimaveränderungen. Einige Gemeinschaften konnten sich jedoch besser an die neuen Gegebenheiten anpassen als andere, wie etwa die italienischen Stadtstaaten ungefähr ab Beginn des 14. Jahrhunderts: Städte importierten im großen Stil Getreide aus weniger betroffenen Anbaugebieten, Stadtregierungen legten neue Großspeicher für Weizen an und die Lebensmittelmärkte wurden reguliert, sodass die Preissteigerung für die Bürgerschaft erträglich blieb. Menschen ohne Bürgerrechte und die Landbevölkerung wurden dabei aber benachteiligt.

Mittelalterlicher Kirchplatz in Italien
LianeM – stock.adobe.com
Von der Hungersnot im 14. Jahrhundert blieb auch Italien nicht verschont

"In Italien lag der Fokus der Herrschenden auf dem Gemeinwohl der Menschen mit Bürgerrecht. Die Regierenden der Stadtstaaten hatten auch einen guten Grund dafür, denn im Fall von Hungersnöten hätten sie Aufstände riskiert“, so Bauch. Zur gleichen Zeit seien Hungersnöte in den nördlicheren Teilen Europas noch immer ausschließlich als Strafe Gottes für menschliche Sünden angesehen worden.

Kollaps nicht die einzige Möglichkeit

Die Herausforderungen angesichts des menschengemachten Klimawandels der Gegenwart seien natürlich andere, da die hochtechnologische Zivilisation einerseits anfälliger für Störungen sei, andererseits biete die Technik des 21. Jahrhunderts aber auch bessere Adaptionsmöglichkeiten. „Bei aller Notwendigkeit, die CO2-Emissionen so schnell wie möglich massiv zu senken, darf aber – wie im späten Mittelalter – die bedeutende Rolle der Gemeinwohlorientierung für die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit nicht übersehen werden“, erklärt Bauch.

Für die Zukunft zeigt er sich optimistisch: „Irgendwie haben es die allermeisten Gemeinschaften doch geschafft, sich an die Klimaveränderungen anzupassen. Das ist, glaube ich, auch die wichtigste Botschaft, die wir in die Gegenwart übertragen wollen. Adaption ist möglich – und Kollaps ist nicht das wahrscheinlichste Szenario.“