Zellkugel: Blastozyste aus Mensch- und Affenzellen
Weizhi Ji, Kunming University of Science and Technology
Weizhi Ji, Kunming University of Science and Technology
Embryonen

Mischwesen aus Mensch und Affe

Ein Forscherteam aus China und den USA hat Embryonen aus Menschen- und Affenzellen hergestellt und in der Petrischale wochenlang am Leben erhalten. Der Versuch gilt als Durchbruch für die Transplantationsmedizin, wirft aber auch ethische Fragen auf: Wie weit darf Wissenschaft gehen?

Die Vereinigung der Zellen von Tier und Mensch gelang dem Team um Juan Carlos Izpisua Belmonte vom Salk Institute in Kalifornien bereits vor zwei Jahren und hatte schon damals für rege Berichterstattung in den Medien gesorgt, wenngleich die experimentellen Details noch nicht bekannt waren.

Diese wurden nun veröffentlicht, aus der Studie im Fachblatt „Cell“ geht hervor: Izpisua Belmonte und sein Team verwendeten für ihre Versuche sechs Tage alte Embryonen von Javaner-Affen, denen sie 25 pluripotente Stammzellen („human extended pluripotent stem cells“, kurz: hEPSC) einsetzten. Die menschlichen Stammzellen integrierten sich in die verschiedenen Zellschichten des Embryos und beteiligten sich dann an der weiteren Entwicklung.

Ziel: Züchtung von Ersatzorganen

Wie die Forscher und Forscherinnen in ihrer Studie schreiben, erwies sich das Mischwesen als überraschend stabil, nach zehn Tagen waren 103 der insgesamt 132 Embryonen am Leben, nach 19 Tagen noch drei. Ähnliche Versuche wurden bereits mit Zellen von Mäusen und Schweinen durchgeführt, hier gelang die Integration der Zellen bei Weitem nicht so gut – vermutlich deshalb, weil der Javaner-Affe näher mit dem Menschen verwandt ist. Wissenschaftlich betrachtet gilt der Versuch von Izpisua Belmonte und seinem Team als Durchbruch, mit diesem Ansatz könnte man – so zumindest die Hoffnung – dereinst menschliche Ersatzorgane in Schweinen züchten oder neue regenerative Therapien entwickeln.

So weit der Nutzenaspekt. Aus ethischer Sicht wandelt Izpisua Belmonte mit seinen Versuchen allerdings in einem Grenzbereich. Sollte es allein bei dem Versuch bleiben, mehr über die Entwicklung von chimären Embryonen zu lernen, haben die meisten Fachleute keine oder geringe Bedenken, wie eine aktuelle Umfrage des deutschen Science Media Centers unter Bioethikern und Reproduktionsmedizinern zeigt. Eine rote Linie wäre zum Beispiel für Stefan Schlatt vom Universitätsklinikum Münster dann überschritten, wenn solche Versuche die Geburt eines Mischwesens zum Ziel hätten.

Kritik: Transgen oder nicht?

Kritischer betrachtet Jochen Taupitz vom Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht der Universität Mannheim das vorliegende Experiment. Der Versuch sei laut deutschem Embryonenschutzgesetz nicht verboten, gleichwohl könne man nicht ausschließen, „dass die eingebrachten menschlichen Stammzellen ihre Information an die Keimbahn der Affen weitergeben“, so der deutsche Jurist und Bioethiker. Sollte das der Fall sein, habe man es jedenfalls mit einem transgenen Wesen zu tun – und das ist für Taupitz ein Bereich, wo man eine rechtliche Grenze einziehen sollte. „Wir haben vonseiten des Deutschen Ethikrates schon 2011 gefordert, dass Versuche der Erzeugung von transgenen Menschenaffen wegen der nahen Verwandtschaft zu Menschen untersagt werden sollten. Auch bei nicht menschlichen Affen ist Zurückhaltung geboten.“

Dieser Position schließt sich auch der Medizinethiker Ulrich Körtner von der Universität Wien an. „Die Empfehlung des Deutschen Ethikrates sollte auch in Österreich übernommen werden. Das ist eine Aufgabe für die Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt. Diese hat bisher nicht zu den ethischen Fragen der Chimärenforschung Stellung genommen", so Körtner gegenüber dem ORF. Verboten wären solche Versuche laut Fortpflanzungsmedizingesetz auch hierzulande nicht.

Das Prinzip Verantwortung

Die Notwendigkeit, sich bei dieser Art von Forschung mit Experten aus juristischen und ethischen Fächern abzustimmen, sieht auch Izpisua Belmonte. Seine Versuche am Salk Institute wurden im Austausch mit Regulierungsbehörden koordiniert. Das, so betont der aus Spanien stammende Forscher, sei „ebenso wichtig wie die Forschung selbst“.

Ein Blick in die jüngere Wissenschaftsgeschichte zeigt allerdings: Nicht alle Wissenschaftler fühlen sich an derlei Vorgaben gebunden. Im Jahr 2018 gab etwa der chinesische Biotechnologe Jiankui He die Geburt zweier gentechnisch veränderter Babys bekannt. Der weltweit heftig kritisierte Versuch war laut chinesischem Recht verboten und trug He auch eine Haftstrafe ein. Rückgängig ließ sich der Tabubruch dadurch freilich nicht machen.