Künstlerische Darstellung: Der europäische Kontinent wird von einem Quantennetzwerk durchzogen
QuTech/TU Delft/Scixel
QuTech/TU Delft/Scixel
Netzwerk

Vom Quanten-LAN zum Quanteninternet

Die abhörsichere Kommunikation im Quanteninternet rückt näher: Forscher und Forscherinnen haben ein lokales Quantennetzwerk mit drei Teilnehmern entwickelt, das beliebig erweiterbar wäre – auch über große Distanzen.

Dass man über tausende Kilometer nach Quantenart kommunizieren kann, haben Anton Zeilinger und sein zum Forschungsstar herangereifter ehemaliger Doktorand Jian-Wei Pan schon mehrfach demonstriert. Unter anderem in einem Videotelefonat zwischen Österreich und China, bei dem der Quantenschlüssel über den Forschungssatelliten „Micius“ ausgetauscht wurde. Das war ein wichtiger Machbarkeitsbeweis und medientauglich obendrein.

Bis das große Ziel eines kommerziell nutzbaren Quanteninternets erreicht ist, braucht es freilich noch ein paar Bausteine mehr. Zum Beispiel Speichermedien, die über ein Netzwerk miteinander verbunden sind – so, wie das auch im „normalen“ Internet der Fall ist.

Knotenpunkte mit Quantenspeicher

So ein System hat jüngst ein Team vom Forschungszentrum QuTech in den Niederlanden im Fachblatt „Science“ vorgestellt. Es besteht aus zwei Teilen: Als Minimalversion eines Quantenspeichers dienen Diamanten mit sogenannten Stickstoff-Fehlstellen, die Kommunikation zwischen diesen erledigen Photonen, die über Glasfaserkabel ausgetauscht werden.

Mitglied des Autorenteams ist Simon Baier. Der Quantenphysiker war in den letzten Jahren mit einem Schrödinger-Stipendium am QuTech tätig, nun forscht er an der Uni Innsbruck in der Arbeitsgruppe von Tracy Northup. „Wenn man ein echtes Quantennetzwerk bauen will, benötigt man mindestens drei Knotenpunkte, die miteinander verbunden sind. Das ist uns gelungen“, sagt Baier im Gespräch mit dem ORF. „Hauptziel unserer Arbeit war zu zeigen, dass die von uns gewählte Architektur erweiterbar ist. Im Prinzip könnten wir dem Netzwerk beliebig viele Knotenpunkte hinzufügen, quasi durch Copy and Paste.“

Das Problem der „Skalierbarkeit“, wie das die Physiker nennen, ist also gelöst. Offen ist derzeit noch die Frage, welche Protokollsprache in einem Quanteninternet zur Anwendung kommen wird. Baier geht davon aus, dass diese Hürde noch vom Quanten-Flaggschiffprojekt der EU genommen wird, also innerhalb der nächsten sieben Jahre.

Gesucht: Photonen-Konverter

Ein gutes Stück Entwicklungsarbeit ist auch noch beim Transport der Information zu absolvieren: Damit Photonen Quantenbits über große Distanzen in Glasfasern übertragen können, benötigen sie eine Wellenlänge im Bereich von Infrarot. Die bekommt man nicht einfach so, es braucht einen Konvertierungsschritt zwischen Speicher und Glasfaser, um die Photonen für lange Reisen vorzubereiten. Dass das prinzipiell funktioniert, wurde in den letzten Jahren bereits gezeigt, sowohl am QuTech als auch an der Uni Innsbruck.

Forscher und Forscherin arbeiten im Labor an einem quantenphysikalischen Experiment
Marieke de Lorijn for QuTech
Quantennetzwerk: Versuchsaufbau am QuTech

Die vielleicht größte der bisher unbeantworteten Fragen lautet: Wie wird die Hardware des Quanteninternets aussehen? Bei den Photonen als Transportmedium wird es aller Wahrscheinlichkeit bleiben, für die Knotenpunkte im Netzwerk gibt es indes zahlreiche Kandidaten. Neben den Diamanten mit Stickstoff-Fehlstellen könnten auch Supraleiter, Ionenfallen, Majorana-Spins in Festkörpern und noch einige andere Medien aus dem quantenphysikalischen Fundus zum Einsatz kommen.

Welche Hardware setzt sich durch?

Peter Zoller, theoretischer Quantenphysiker in Innsbruck, geht davon aus, dass die „Quantencomputerei“ noch mindestens 15 Jahre auf verschiedenen Plattformen betrieben wird. Das sei auch gut so, „denn jeder Ansatz hat seine Vorteile. Welcher sich langfristig durchsetzen wird, werden wir sehen.“

Damit man mit dem Quanteninternet vernünftige Dinge anstellen kann, müsse man jedenfalls nicht warten, bis der Quantencomputer den Kinderschuhen entwachsen ist und, was die Rechenleistung anlangt, Supercomputer herkömmlicher Bauart überholt hat, betont Baier: "Der fehlerkorrigierte und programmierbare Quantencomputer ist der heilige Gral. Es wird noch Jahrzehnte dauern, bis man so eine Maschine bauen kann. Doch bis dahin gibt es jede Menge Einsatzbereiche für das Quanteninternet. Es macht also Sinn, jetzt schon die Forschung in diesem Bereich voranzutreiben.“

Die Anwendungen reichen von der abhörsicheren Kommunikation für Banken und Behörden bis zum Bau noch präziserer Atomuhren oder Teleskope. Und nicht zuletzt könnte man mit der verfügbaren Technologie bereits die einfachsten Quantencomputer zu einem Netzwerk verbinden – und somit ihre Rechenleistung nach oben schrauben. Das wäre dann Grid-Computing nach Quantenart.