Eine Frau mit Kopftuch wird geimpft
AFP – BULENT KILIC
AFP – BULENT KILIC

Damit Sprachbarrieren nicht gefährlich werden

Viele Migrantinnen und Migranten gehören zur Risikogruppe für schwere Covid-19-Erkrankungen. Umso wichtiger ist es, Hygienemaßnahmen und Informationen zur Schutzimpfung auch an sie zu kommunizieren. Noch gelingt das in Österreich nur lückenhaft.

Bei Ausbruch der Pandemie im März vergangenen Jahres wurden die wichtigsten Hygiene- und Verhaltensmaßnahmen verspätet und lückenhaft in die wichtigsten Migrantensprachen Österreichs übersetzt, meint Judith Kohlenberger vom Institut für Sozialpolitik der Wirtschaftsuniversität Wien. „Mein Eindruck, jetzt fast 14 Monate nach Ausbruch der Pandemie, ist, dass man das leider immer noch nicht optimiert hat.“ Werden Informationen übersetzt, geschehe das oftmals nicht vollständig, sondern es werden verkürzte Versionen angefertigt. Bei einem so stark mit Unsicherheiten verbundenem Thema wie Covid-19 sei es jedoch wichtig umfassend zu informieren.

Social Media erreicht viele, aber nicht alle

Sogenannte Integrationsbotschafter und -botschafterinnen, wie Mirna Jukić etwa, werben derzeit für die Initiative „Österreich impft“ auf Social Media. Das sei an und für sich ein guter Ansatz, meint die Migrationsforscherin, gibt aber zu bedenken, dass man über Social Media nicht alle Bevölkerungsgruppen erreicht. Gerade ältere Migrantinnen und Migranten, die der Gastarbeitergeneration angehören und über wenig Deutschkenntnisse verfügen, würden sich teilweise sehr schlecht informiert fühlen. „Da wird man natürlich mit Instagram-Stories nicht weit kommen. Da braucht es auch andere Wege und Möglichkeiten.“

Migrantinnen und Migranten würden sich gerne in österreichischen Qualitätsmedien insbesondere dem ORF informieren, gerade was die aktuellen Maßnahmen betrifft, berichtet Kohlenberger von ihren Forschungsergebnissen. Diesem Vorhaben stehen aber oftmals Sprachbarrieren im Weg. Eine Möglichkeit diese zu überbrücken ist, sich Information, die von Medien auf Social Media veröffentlicht wurden, automatisch übersetzen zu lassen. Und auch zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich im Rahmen der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 gebildet haben, würden seit Beginn der Pandemie viel Kommunikationsarbeit leisten, sagt die Migrationsforscherin. „Die ganzen Vereine und kleinteiligen Organisationen, die damals entstanden sind, haben zum Beispiel auch Videos und Übersetzungen verfasst.“

Mehrsprachige Telefonkette für Risikopatienten

Welche Rolle zivilgesellschaftliche Initiativen in der Prävention spielen können, zeigt ein Beispiel aus Graz. Dort haben sich zu Beginn des ersten Lockdown im März vergangenen Jahres Vertreterinnen und Vertreter verschiedener Sozialeinrichtungen zusammengetan und auf Initiative von Christoph Pammer eine mehrsprachige Telefonkette ins Leben gerufen. Dem Gesundheitswissenschaftler und Sozialarbeiter war klar, dass Migrantinnen und Migranten ein höheres Infektionsrisiko aufweisen, da sie häufig in systemrelevanten Berufen, in der Pflege, als Paketzusteller oder als Reinigungskräfte, arbeiten und in beengten Wohnverhältnissen leben. Zudem ist ihr Risiko, an einer Vorerkrankung zu leiden, höher. Schutzmaßnahmen müssen daher gezielt an sie kommuniziert werden.

Trainingsvideos wurden erstellt, die wiederum die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verschiedener Einrichtungen, der Sozialpsychiatrie oder der Arbeitslosenberatung beispielsweise, in die Lage versetzten, ihre Klientinnen und Klienten über die Hygienemaßnahmen aufzuklären. Mehr als zweitausend Haushalte wurden damals österreichweit telefonisch kontaktiert, erzählt Pammer. Beraten wurde in zehn verschiedenen Sprachen. „Der Tenor war überwiegend positiv.“ Viele Initiativen in ganz Österreich haben die Projektidee übernommen und die „Telefonkette“ wurde auch mit dem Austrian Health Leadership Award ausgezeichnet.

Impfkommunikation als Herausforderung

So erfolgreich die „Telefonkette“ war und ist – die eine Kommunikationsstrategie, um alle Migrantinnen und Migranten zu erreichen, gibt es nicht. „Allein schon der Begriff Migrantin, Migrant ist diffus“, sagt Judith Kohlenberger. Die größte Migrantengruppe in Österreich seien Deutsche, eine Gruppe, die in der Kommunikation nicht spezifisch adressiert werden muss.

Was die Impfbereitschaft betrifft, sei diese unter Migrantinnen und Migranten sehr unterschiedlich ausgeprägt. „Ich nehme tatsächlich auch eine hohe Impfbereitschaft in der BKS-Gruppe wahr, also Menschen, die aus dem ehemaligen Jugoslawien zu uns gekommen sind.“ Gleichzeitig gebe es auch viele, die Angst vor der Impfung hätten oder eine Impfung für sich als nicht notwendig empfinden. Und auch Verschwörungstheorien würden unter Migrantinnen und Migranten zirkulieren. Gute Kommunikationsideen, was die Vermittlung der Vorteile und Risiken einer Coronavirus-Schutzimpfung betrifft, sind also weiterhin gefragt.