Eine Viole mit AstraZeneca-Impfstoff
AFP – LENNART PREISS
AFP – LENNART PREISS
AstraZeneca

Angst vor Risiken durch verzerrte Wahrnehmung

Mittlerweile nehmen einige Menschen in Österreich ihren Impftermin nicht wahr, wenn sie erfahren, dass sie AstraZeneca bekommen. Die Angst vor Nebenwirkungen ist auch eine Folge der medialen Aufmerksamkeit für den Impfstoff, meinen Experten. Und das Risiko schwerer Komplikationen sei bei einer Infektion durch das Coronavirus deutlich höher.

Alle in Österreich verfügbaren Impfstoffe schützen gleich effektiv vor schweren Verläufen. Allerdings: Bei AstraZeneca sind im Verhältnis bisher rund acht Mal so viele Nebenwirkung gemeldet worden wie bei den mRNA-Impfstoffen von Moderna und BioNTech/Pfizer. AstraZeneca also der Impfstoff, der mehr Probleme verursacht? So will das der Pharmakologe Markus Zeitlinger von der Medizinischen Universität Wien nicht stehen lassen.

Dass im Verhältnis deutlich öfter Fieber, Kopfschmerzen bis hin zu Schüttelfrost gemeldet wurden, liegt zum einen daran, dass in Österreich bisher deutlich mehr jüngere Menschen mit AstraZeneca geimpft wurden. Sie reagieren generell stärker auf Impfungen als ältere, so Zeitlinger, Mitglied des Sicherheitsbords im nationalen Impfgremium: „Zwei Drittel aller Meldungen wurden im Alter zwischen 18 und 44 berichtet; ein Drittel wurden im Alter zwischen 45 und 64. Bei Älteren gab es tatsächlich kaum Berichte von Nebenwirkungen.“

Hinweis

Nebenwirkungen können beim Bundesamt für Sicherheit und Gesundheit (BASG) gemeldet werden.

Die Meldungen werden in einem wöchentlichen Bericht veröffentlicht.

Meldebias

Das Bild werde aber auch dadurch verzerrt, dass Geimpfte mit AstraZeneca eher Nebenwirkungen melden, erklärt Zeitlinger. „Bei AstraZeneca gab’s natürlich eine enorme mediale Aufmerksamkeit und so steht es sogar in den offiziellen Dokumenten, dass das zu einer Verzerrung des Nebenwirkungsprofils geführt hat.“ Das erkenne man auch daran, „dass die milden Nebenwirkungen – also die sehr subjektiv berichtet werden – doch deutlich häufiger bei AstraZeneca auftreten, wenn man sich jetzt aber die schweren Nebenwirkungen anschaut, die klarer als Nebenwirkung zu identifizieren sind, dann sehen wir diese Verzerrung nicht.“

Beispielsweise kam es bei 128 Menschen nach einer Impfung mit BioNTech/Pfizer zu allergischen Hautreaktionen, bei AstraZeneca sind es 53. Auch wurden Lähmungen im Gesicht verhältnismäßig öfter nach Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff gemeldet. Wobei hier in keinem der Fälle geklärt ist, ob es tatsächlich einen Zusammenhang mit der Impfung gibt.

Interpretation der Meldungen

Dass man mit der Interpretation der gemeldeten Reaktionen aufpassen muss, macht nicht zuletzt der Blick auf die Todesfälle deutlich, die sich in zeitlicher Nähe zu einer Impfung ereignet haben, betont Zeitlinger. So wurden rund zehnmal so viele Todesfälle nach Impfungen mit BioNTech/Pfizer gemeldet. Auch hier ist Kontext wichtig: „Erstens haben wir BioNTech bei den ältesten Menschen eingesetzt, das war so im Impfplan vorgesehen, und andererseits sind diese Todesfälle nur in einem zeitlichen, aber nicht in einem kausalen Zusammenhang mit der Impfung zu sehen.“

Fakt ist aber auch: Bisher konnte in Österreich nur ein Todesfall mit einer Impfung in Zusammenhang gebracht werden und das war mit AstraZeneca. Doch auch hier müsse man das Sterberisiko im Falle einer Infektion gegenüberstellen. „Das schlimmste Szenario, das wir haben könnten, ist, dass eine Person von einer Million geimpften tatsächlich eine tödliche Sinusvenenthrombose hat. Bei alten Menschen zwischen 70 und 80 stirbt jeder Zehnte an Covid. Also hier ist Covid einfach viel gefährlicher. Erst bei jüngeren Menschen, wo Covid nicht mehr so gefährlich ist, sinkt die Rate von Menschen, die an Covid sterben natürlich ab, und hier verstehe ich die Verunsicherung.“ Doch selbst bei 20- bis 30-Jährigen überwiege angesichts der aktuellen Infektionszahlen der Schutz der Impfung das mögliche Risiko einer in sehr seltenen Fällen tödlichen Thrombose, betont Zeitlinger.