Der 27. April ist ein Fixpunkt im staatlichen Gedenkkalender. In Zeiten der Normalität marschiert an diesem Tag eine Ehrenkompanie der Garde des Bundesheers mit der Gardemusik auf dem Heldenplatz auf. Die Bundesregierung und in den „runden“ Fünferjahren auch der Bundespräsident gedenken der Wiederbegründung der Republik Österreich 1945 mit einer Kranzniederlegung im Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg. Pandemiebedingt wird diese Feierstunde nun bereits zum zweiten Mal in reduzierter Form begangen.

Über die Autorin
Heidemarie Uhl forscht am Institut für Kulturwissenschaften und Theatergeschichte der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW).
Aber bereits zuvor haben sich die traditionellen staatlich-militärischen Gedenkfeiern im Heldendenkmal entscheidend geändert. Letztmalig fand am 27. April 2012 die Kranzniederlegung in allen beiden Gedenkorten des Heldendenkmals statt – in der Krypta für die Gefallenen des Ersten und Zweiten Weltkriegs, im Weiheraum für den Widerstand gegen das NS-Regime. In diesem Jahr erreichten die Konflikte um die Einbeziehung der Wehrmacht in das ehrende Gedenken der Republik ihren Höhepunkt. Die Entdeckung einer nationalsozialistischen Huldigungsschrift im Sockel der Skulptur des Toten Kriegers, verfasst vom Bildhauer Wilhelm Frass, einem illegalen Nationalsozialisten, machte im Sommer 2012 den Kranzniederlegungen am Kriegerdenkmal der Republik ein abruptes Ende.
Konflikte seit der Errichtung
Konflikte um die Sinngebung der nationalen Geschichte prägten aber bereits die Entstehungsgeschichte des einzigen staatlichen Denkmals der Republik für militärische Opfer und – mit Errichtung des Weiheraums 1965 – den politischen Widerstandstand gegen das NS-Regime. Seine Errichtung verdankt sich der Konkurrenz zwischen den politischen Lagern der Zwischenkriegszeit, die auch im Gedenken an die Gefallenen des Ersten Weltkriegs gespalten waren. Die Sozialdemokratie sah die Soldaten als Opfer der verantwortungslosen habsburgischen Kriegspolitik und errichtete ihnen 1925 ein Friedensmahnmal am Zentralfriedhof. Das christlich-konservative Lager und die Kameradschaftsverbände boykottierten das Denkmal des Roten Wien und gedachten zu Allerseelen in der Karlskirche der Helden der ruhmreichen habsburgischen Armee.

Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg wurde 1933/34 als Prestigeprojekt der Dollfuß-Schuschnigg-Diktatur errichtet. Unmittelbar nach der Ausschaltung des Parlaments im März 1933 begannen die Vorbereitungen, im Juli wurde der Wettbewerb ausgeschrieben. Das 1821 bis 1824 nach Plänen von Luigi Cagnola und Pietro Nobile erbaute profane Torgebäude sollte zu einem sakralen Ort staatlich-militärischer Gedenkzeremonien umgebaut werden. Mitten in den Bürgerkriegstagen fiel die Entscheidung für den Entwurf des Architekten Rudolf Wondracek. Er sah den Einbau einer Ehrenhalle im Dachgeschoß, erschlossen durch monumentale Ehrenstiegen, und einen Sakralraum, die sogenannte Krypta, im rechten Flügel des Bauwerks vor.
Am 9. September 1934 fand die Weihe unter Anwesenheit der Spitzen von Kirche, Staat und Militär sowie Vertretern des ehemaligen Kaiserhauses statt. Der pompösen Eröffnung folgten allerdings nur zögerliche Bemühungen, das Heldendenkmal zu einem Ort der Österreich-patriotischen Identitätsstiftung zu machen. Nach 1938 nutzte das NS-Regime Heldenplatz und Heldendenkmal für martialische „Heldengedenkfeiern“.
Ehemalige auf Heldenplatz passten nicht zur Opferthese
Die wiederbegründete Republik hielt bis 1955 Distanz zu diesem doppelt politisch belasteten Ort – 1934 errichtet von der Ständestaat-Diktatur, nach 1938 vom Nationalsozialismus okkupiert. Ab 1951 bemächtigten sich der Verband der Unabhängigen (VdU), Vorläuferpartei der FPÖ und Sammelbecken ehemaliger NationalsozialistInnen, und die 1952 wieder zugelassenen Kameradschaftsverbände des Ortes. Vor dem Hintergrund der Staatsvertragsverhandlungen wurden die Aufmärsche des Kameradschaftsbundes von staatlicher Seite mit Besorgnis beobachtet, denn die „Heldenehrungen“ für die gefallenen Wehrmachtssoldaten passten nicht zum Bild von Österreich als „erstem Opfer“ des Nationalsozialismus.
Literatur
Heidemarie Uhl, Richard Hufschmied, Dieter A. Binder (Hg.), Gedächtnisort der Republik. Das Österreichische Heldendenkmal im Äußeren Burgtor der Wiener Hofburg. Geschichte – Kontroversen – Perspektiven, Böhlau Verlag 2021 (Leseprobe), mit Beiträgen von Stefan Gugerel, Richard Kurdiovsky, Richard Lein, Peter Pirker und Anna Stuhlpfarrer .
Die für September 1954, dem 20. Jahrestag der Errichtung des Heldendenkmals, vom Kameradschaftsbund geplante Großkundgebung mit „Heldengedenkfeier“ auf dem Heldenplatz wurde von der Polizeidirektion Wien untersagt.
Der Abschluss des Staatsvertrags 1955 bildete auch für das Heldendenkmal eine Zäsur. Zu Allerseelen 1955 fand das erste offizielle Totengedenken für die Gefallen des Ersten und des Zweiten Weltkriegs statt, organisiert vom Kameradschaftsbund und unter Beteiligung von hochrangigen Vertretern der Bundesregierung und des neu begründeten Bundesheers. Die ehemaligen Besatzungsmächte entsandten ihre Militärattachés. SPÖ-Politiker blieben der Zeremonie allerdings fern.

Umbau 1966 als Signal gegen die Ewiggestrigen
Das Jahrzehnt nach dem Staatsvertrag war durch das Erstarken rechtsextremer und deutschnationaler Aktivitäten gekennzeichnet. Die Opferthese des Jahres 1945 hatte sich in ihr Gegenteil verkehrt: Widerstandskämpfer galten nun als „Vaterlandsverräter“, Wehrmachtssoldaten als „Verteidiger der Heimat“. Vor diesem Hintergrund war 1965 der Entschluss der ÖVP-SPÖ-Koalitionsregierung zur Errichtung des Weiheraums für den Widerstand gegen das NS-Regime eine geschichtspolitische Manifestation gegen die „Ewiggestrigen“. 1965 erfolgte auch die Einführung des Nationalfeiertags, und am 26. Oktober 1966 wurde erstmals jenes Zeremoniell der doppelten Kranzniederlegungen in Krypta und Weiheraum durchgeführt, das bis 2012 praktiziert werden sollte.
Mit der symbolischen Würdigung der Wehrmachtssoldaten einerseits, der Widerstandskämpfer andererseits waren die Nachkriegskonflikte um das Heldendenkmal befriedet. Die doppelten Kranzniederlegungen an beiden Gedenkorten, Krypta und Weiheraum, wurden zu einem selbstverständlichen und gerade deswegen wenig beachteten offiziellen Akt am Nationalfeiertag, am Jahrestag der Republikgründung, zu Allerseelen. Die widersprüchlichen Haltungen zum NS-Regime, die hier buchstäblich unter einem Dach versammelt waren, sollten nach der Jahrtausendwende aufbrechen.

Paradoxerweise waren es die Gedenkfeiern deutschnationaler Burschenschaften am 8. Mai, die das Heldendenkmal aus dem Dornröschenschlaf rissen. Die Wehrmachtsausstellung, 1995 und in ihrer Neuauflage 2002 in Wien und anderen österreichischen Städten gezeigt, dokumentierte öffentlichkeitswirksam die Verbrechen der Wehrmacht im „Vernichtungskrieg“ – das Bild der „sauberen“ Wehrmacht war nicht mehr haltbar. 2002 startete auch die Initiative zum sogenannten Deserteursdenkmal, das 2014 in Sichtweite des Heldendenkmals am Ballhausplatz errichtet wurde. Die seit 1996 durchgeführten Kranzniederlegungen der Burschenschaften am Tag des Kriegsendes stießen nun zunehmend auf Empörung. Ein ganzes Jahrzehnt diente das Heldendenkmal am 8. Mai als Bühne für die schlagenden Burschenschaften, die diesen Tag offenkundig als Trauertag begingen. Der Heldenplatz wurde zur weiträumig abgesperrten Bannmeile, um die provokante Kranzniederlegung der Burschenschaften vor tausenden GegendemonstrantInnen zu schützen.
Fund von NS-Huldigung 2012
Die Öffnung der Skulptur in der Krypta und der Fund der nationalsozialistischen Widmung von Wilhelm Frass, deren Existenz bereits seit 1938 bekannt war, brachte eine Wende. Die offiziellen Kranzniederlegungen an diesem Denkmal wurden eingestellt, das staatlich-militärische Gedenken galt ab dem Nationalfeiertag 2012 nur noch den in Dienst und Einsatz verstorbenen Angehörigen des Bundesheers. 2019 wurde dafür in der Ehrenhalle ein neues Ehrenmal errichtet.

Nach dem Wegfall der Krypta erwies sich der Weiheraum für den Widerstand als einziger stabiler Ort für die Fortführung des staatlich-militärischen Zeremoniells. Allerdings ist der Weiheraum, 1965 in der Phase des heroisierenden Widerstandsgedenkens errichtet, bis heute im unveränderten Zustand. Die tiefgreifenden Transformationen der Erinnerungskultur in den letzten Jahrzehnten sind am Weiheraum spurlos vorbeigegangen, die Opfer der Shoah und andere Opfergruppen haben in das Gedenken der Republik an diesem zentralen Ort noch keinen Eingang gefunden.
Das Heldendenkmal steht vor neuen Veränderungen – neben der Neugestaltung des Weiheraums ist ein seit langem gefordertes Denkmal der Republik am Heldenplatz eine Zukunftsaufgabe. Es könnte auch zu einem Zeichen des gesellschaftlichen Zusammenhalts in der – hoffentlich bald überwundenen – Pandemie werden.