Zwei Blitze erhellen den Nachthimmel
APA/dpa/Marcel Kusch
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Geophysik

Mit Erdbebensensoren Donner erkunden

Erdbebenmessgeräte zeichnen nicht nur Erderschütterungen, sondern auch das Vorbeifahren von Autos oder Gewitterdonner auf. Mit derartigen Daten aus dem ganzen Alpenraum untersuchen Wiener Forscher, wie Donner entsteht und sich seine Schallwellen ausbreiten.

Normalerweise werden Signale von Autos und Gewitterdonner aus den Erdbebendaten als Störsignale herausgefiltert. Das machten auch Götz Bokelmann und seine Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen am Institut für Meteorologie und Geophysik der Universität Wien bisher bei den Daten, die 600 im Alpenraum verteilte Sensoren über mehrere Jahre hinweg für ein Projekt namens „Alparray“ lieferten, um die Erdbebenvorgänge in dieser Region zu erfassen. „Diese seismologischen Messgeräte zeichneten sehr häufig auch Donner auf und deshalb haben wir uns gedacht, dass wir diese Signale nicht nur als unerwünscht herausfiltern, sondern näher betrachten könnten, um den Donner besser zu verstehen“, sagte er im Rahmen der Generalversammlung der European Geosciences Union (EGU). Im Gegensatz zum Blitz sei dieses Phänomen nämlich noch recht wenig erforscht.

Blitzmessstation am Salzburger Gaisberg

Damit sie die hunderttausenden Donnerdaten der Alparray-Messstationen richtig deuten können, brauchten die Forscherinnen und Forscher gute Vergleichsdaten. Dazu grub das Team um Bokelmann und Artemii Novoselov rund um die Blitzmessstation am Gaisberg Erdbebensensoren ein. Dies ist ein vielbewanderter Hausberg nahe der Stadt Salzburg, und auf seinem knapp 1.287 Meter hohen Gipfel steht ein Sendemast mit einer Messstation des österreichischen Blitzortungssystems „ALDIS“ (Austrian Lightning Detection and Information System). Dort werden Blitzeinschläge und deren Eigenschaften wie der Blitzstromverlauf gemessen. Weil der Gipfel und Sender sehr prominent in der Landschaft stehen, schlagen dort bei Gewittern sehr viele Blitze ein, die natürlich ein Donnergrollen nach sich ziehen, welche von den Erdbebensensoren aufgezeichnet werden.

Wie der Schall entsteht

„Der genaue Zusammenhang zwischen Donner und Blitz ist im Detail noch nicht so ganz klar“, erklärte Bokelmann, der das Vorhaben auf der heuer online stattfindenden EGU-Generalversammlung (19. bis 30. April) vorstellt. Prinzipiell kann dieser zwischen der Wolke und dem Einschlags- oder Ursprungspunkt am Boden überall entstehen. Der elektrische Strom des Blitzes läuft durch einen dünnen Kanal. Die Luft darin erhitzt sich rapide durch die großen Energiemengen. „Diese Erwärmung führt zu einer schnellen Ausdehnung, es wird zunächst eine nicht-lineare Schockwelle erzeugt, die wiederum eine akustische Welle hervorruft“, so der Forscher. Letztere nimmt man als Schall war, aber ein Großteil davon findet im Infraschall-Bereich statt, der von Menschen nicht wahrgenommen, aber eben von Erdbebensensoren aufgezeichnet wird.

Auch in der Wolke könnte es donnern. „Wenn Strom aus der Wolke zum Boden läuft, sind in der Wolke auf einmal viel weniger elektrische Ladungsteilchen und die elektrostatische Abstoßung nimmt ab“, sagte Bokelmann: „Dadurch kollabiert die Wolke ein bisschen und das erzeugt langwellige Schwingungen, die wir messen könnten“.

Auf der Suche nach besseren Gewittervorhersagen

Mit Donnerdaten der Erdbebensensoren wollen die Forscher theoretische Modelle testen, wie dieses Naturphänomen genau entstehen könnte. „Dann können wir sagen, welche von ihnen das Phänomen gut oder weniger gut beschreiben“, meinte er. Außerdem wäre es vielleicht möglich, die Blitz-Einschlagsdaten der ALDIS-Forscher zu verbessern. Sie zeichnen derzeit mittels acht Sensoren in ganz Österreich die Einschläge auf und können mit einer Genauigkeit von 100 Metern bestimmen, wo ein solcher stattgefunden hat.

Dadurch können sie Feuerversicherungen zum Beispiel mitteilen, ob tatsächlich ein Einschlag stattgefunden hat, wenn jemand einen Schaden durch Blitzeinschlag an seinem Haus meldet. Durch die zusätzlichen Erdbebensensoren würde das System eventuell noch genauer werden.

Vielleicht könne man damit auch die Gewitter-Vorhersagen verbessern. „Das ist so ähnlich wie bei der Vorhersage von Erdbeben, die bekanntermaßen sehr schwierig ist“, sagte Bokelmann. Bei Gewittern und Erdbeben finden in den Wolken beziehungsweise im Untergrund sehr komplexe Vorgänge statt, die genaue Prognosen schier unmöglich machen. Zusätzliche Daten aus unabhängiger Quelle könnten da nur helfen.