KlinakliniGletscher in Westkanada
Brian Menounos
Brian Menounos
Klima

Gletscherschwund beschleunigt sich

In den letzten zwei Jahrzehnten haben die Gletscher weltweit im Durchschnitt 267 Gigatonnen Eis pro Jahr verloren. Das schmelzende Eis war für rund einen Fünftel des Meeresspiegelanstiegs verantwortlich, berichtet ein internationales Forschungsteam. Mit der Eismenge hätte man alljährlich die Fläche der Schweiz sechs Meter unter Wasser setzen können.

Die Forscherinnen und Forscher um Romain Hugonnet, der an der ETH Zürich und der französischen Universität Toulouse tätig ist, analysierten mithilfe eines Hochleistungscomputers ein riesiges Archiv von bisher weitgehend ungenutzten Satellitenbildern. Damit berechneten sie lückenlos den Massenverlust von weltweit 217.175 Gletschern zwischen den Jahren 2000 und 2019.

Wie sie nun im Fachmagazin “Nature“ berichten, verlieren die Gletscher derzeit mehr Masse als die Eisschilder in Grönland oder der Antarktis. Und sie schrumpfen inzwischen im Rekordtempo: Betrug der Massenverlust zwischen 2000 und 2004 noch 227 Gigatonnen Eis pro Jahr, lag dieser Wert zwischen 2015 und 2019 bei 298 Gigatonnen pro Jahr. Dies dürfte laut den Autoren denn auch sechs bis 19 Prozent des beschleunigten Meeresspiegelanstiegs erklären.

Überflutungen befürchtet

Nur in sehr wenigen Gegenden verlangsamten sich die Schmelzraten der Gletscher während des untersuchten Zeitraums: In Island, in Skandinavien sowie an der Ostküste Grönlands. Die Forscher führen dies auf eine Wetteranomalie im Nordatlantik zurück, die von 2010 bis 2019 lokal für höheren Niederschlag und tiefere Temperaturen sorgte.

Etwa 200 Millionen Menschen leben an Orten, die bis zum Ende des Jahrhunderts unterhalb der Flutlinien des Meeres liegen werden. Gleichzeitig könnten mehr als eine Milliarde Menschen innerhalb der nächsten drei Jahrzehnte von Wasserknappheit und Ernährungsunsicherheit betroffen sein.

Wassernot und Engpässe

Zwar entschärft der derzeitige Gletscherrückgang vorübergehend den Wassermangel in manchen Regionen, weil das Schmelzwasser beispielsweise die Flüsse Ganges, Brahmaputra und Indus speisen. „Schrumpfen die Himalaja-Gletscher jedoch weiterhin mit steigendem Tempo, könnten bevölkerungsreiche Staaten wie Indien oder Bangladesch in wenigen Jahrzehnten Wassernot oder Nahrungsmittelengpässe drohen“, sagte Hugonnet.

Um gezielte Anpassungsstrategien zu entwickeln, die im Zuge der Klimaerwärmung immer wichtiger werden, ist ein tiefes Verständnis der Gletscherwelt von zentraler Bedeutung. Die aktuellen Studienergebnisse sollen denn auch in den nächsten Zustandsbericht des Weltklimarats (IPCC) einfließen, wie die ETH schrieb.