Immunisierte auch gegen B.1.617 geschützt

Viele Fragen zur Coronavirus-Variante B.1.617, die sich derzeit stark in Indien verbreitet, sind noch offen. Laut einer neuen Studie kann sie aber durch Antikörper im Blut von genesenen Covid-19-Patienten oder Geimpften neutralisiert werden – allerdings schwächer als andere Varianten.

Das berichten indische Forscherinnen und Forscher in einer noch nicht begutachteten Vorabpublikation auf dem Preprint-Server bioRxiv. „Wenn es sich bestätigt, sind die Daten aus dieser Veröffentlichung äußerst ermutigend. Sie deuten darauf hin, dass es keine Immunflucht gibt“, kommentiert der Vakzinologe Carlos Guzman vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig.

„Die Variante B.1.617 wird von Antikörpern neutralisiert, die bei Personen vorhanden sind, die nach Infektionen mit dem ursprünglichen Virus und in Europa zirkulierenden Varianten genesen sind, oder von den Antikörpern, die durch COVID-19-Impfstoffe stimuliert werden", so Guzman.

Mutationen an drei wichtigen Stellen

Seit Tagen wird international beobachtet, wie eine zweite SARS-CoV-2-Infektionswelle Indien überrollt und das dortige Gesundheitssystem über seine Grenzen hinaus belastet. Im Zuge dieser Infektionswelle wurde die neue Virusvariante B.1.617 identifiziert, die sich neben anderen Virusvarianten wie („britische Variante“) stark verbreitet.

Diese Variante besitzt Mutationen an drei wichtigen Stellen (L452R, E484Q und P681R), die womöglich die Eigenschaften des Virus beeinflussen können. Sie führen zu einem Austausch von Aminosäuren in der Proteinsequenz des Spike-Proteins, das sich an der Oberfläche des Virus befindet und die Bindung des Virus an die menschliche Zelle ermöglicht. Inwiefern diese Veränderungen tatsächlich zu einem Entkommen der Immunantwort oder zu einer leichteren Übertragung des Virus beitragen, ist noch nicht geklärt.

In der aktuellen Studie verglichen die Forscherinnen und Forscher die neutralisierende Wirkung von Blutseren gegen B.1.617, B.1.1.7 und die Virusvariante B1, die zu Beginn der Pandemie stark zirkulierte. Alle drei Varianten konnten mit den Blutseren von COVID-19-Genesenen, die sich mit einer anderen und Blutseren von geimpften Personen, die mit dem indischen Totimpfstoff Covaxin immunisiert worden waren, neutralisiert werden.

Datenlagen noch dürftig

Allerdings war die Neutralisationswirkung gegen B.1.617 etwas schwächer als gegen die beiden anderen Varianten, was auf ein partielles Entkommen der Immunantwort hinweisen könnte. Die indischen Forscherinnen und Forscher untersuchten insgesamt zwölf B.1.617-Viren im Labor, der Molekularbiologe Andreas Bergthaler vom Forschungsinstitut für Molekulare Medizin (CeMM) in Wien nennt die Daten in dem Preprint deshalb „spärlich – und sie schließen auch keine in Europa gebräuchlichen Impfstoffe ein.“

Bei der Interpretation der Studie, was etwa Verhalten und Übertragbarkeit der CoV-Variante betrifft, rät er deshalb zu Vorsicht. „Mir scheint es zum jetzigen Zeitpunkt unklar, inwieweit geänderte Eigenschaften von B.1.617 die Haupttreiber sind für die derzeitige katastrophale zweite Welle in Indien. Das sollte man nicht ausschließen, aber gleichzeitig gibt es verschiedene Umstände wie Öffnungsmaßnahmen inklusive Massenveranstaltungen und ein überfordertes Gesundheitssystem, die sicherlich auch einen größeren Einfluss haben als die Mutationen."