Vorbereitung der Impf-Spritze gegen den Coronavirus in einer Covid-Station des Kaiser-Franz-Josef-Spitals in Wien.
APA/GEORG HOCHMUTH
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Immunschwäche: Impfungen schützen nicht alle

Wer Medikamente einnimmt, die das Immunsystem schwächen, hat womöglich einen geringeren Impfschutz. Das zeigen Studien aus den USA und Israel. Diese Menschen können sich also trotz Impfung infizieren – und so könnten auch neue Virusmutationen entstehen.

Nicht alle Menschen profitieren gleichermaßen von den Covid-Impfungen. Das haben Berichte aus Altenheimen gezeigt, wo es bei älteren Menschen trotz Impfung zu Infektionen mit dem Sars-Coronavirus-2 gekommen ist, die Verläufe waren jedoch leicht. Denn mit dem Alter kann das Immunsystem schwächer werden und die Immunreaktion auf die Impfung gedämpft sein.

Eine weitere Risikogruppe sind Menschen, deren Immunsystem wegen einer Erkrankung oder einer medikamentösen Therapie geschwächt ist. Wer Krebs hat, eine schwere Autoimmunerkrankung oder mit einem transplantierten Organ lebt, erhält krankheitsbedingt Medikamente, die das Immunsystem schwächen bzw. bewusst unterdrücken.

Weniger als die Hälfte mit Antikörpern

Im Fall von Organtransplantierten verhindern diese immunsuppressiven Medikamente, dass das lebensnotwendige Spenderorgan vom Körper abgestoßen wird, sie machen die Betroffenen aber auch anfälliger für Infektionen und schwere Krankheitsverläufe, auch im Fall von Covid-19. Eben weil das Immunsystem hinunter reguliert wird, scheint auch die Antikörperproduktion nach einer Impfung nicht richtig anzuspringen.

Aus Israel gibt es erste Studienergebnisse zur Impfung mit dem Biontech/Pfizer Impfstoff. Eine Studie aus Tel Aviv analysierte die Antikörperproduktion bei rund 130 geimpften Nierentransplantierten. Etwa 40 Prozent entwickelten nach zweimaliger Impfung Antikörper. Das seien erwartbare Ergebnisse, sagt der Internist und Nierenspezialist Rainer Oberbauer, Leiter der klinischen Abteilung für Nierenerkrankungen an der Med Uni Wien.

Immunreaktion bekanntermaßen schwach

„Bei Grippe- oder Heptatitisimpfungen weiß man, dass etwa 50 Prozent mit Antikörpern respondieren, ungefähr in der gleichen Dimension ist die Impfantwort auf diese Covid-mRNA-Impfungen“, so Oberbauer. Etwa die Hälfte habe nach der zweiten Impfung nachweisbare Antikörper im Blut. Die Impfung sei sicher für diese Patienten, sagt Oberbauer, die Antikörperproduktion aber mitunter eingeschränkt. „Was aber nicht mit Impfschutz gleichzusetzen ist, weil das Immunsystem natürlich viel komplizierter ist“, so der Internist.

Habe man neutralisierende Antikörper im Blut, sei die Chance natürlich höher, dass die Impfung funktioniert habe. Man beobachte auch, dass sich einige immunsupprimierte Patientinnen und -patienten trotz Impfung mit Sars-CoV-2 infizierten, sagt Oberbauer. „Bei den Patienten, die ich übersehe, war der Verlauf moderat-mild“, so der Internist. Erfahrungen, die sich auch mit publizierten Fallberichten aus den USA decken.

Mutation könnten leichter entstehen

Auch in den USA gibt es erste Ergebnisse zur Wirkung der beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe bei Empfängern von Spenderorganen mit immunsupprimierender Therapie. Der Transplantationsmediziner Brian Boyarsky leitete eine solche Studie an der Johns Hopkins University, die im Journal of the American Medical Association publiziert wurde. Für die Studie wurden mehr als 430 Organempfängerinnen und -empfänger begleitet, von denen nur 17 Prozent Antikörper gegen das Coronavirus nach der ersten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff entwickelten.

„In der Kontrollgruppe mit intaktem Immunsystem entwickelten 100 Prozent der Geimpften Antikörper nach der ersten Dosis“, so Boyarsky gegenüber science.ORF.at. Diese Ergebnisse seien in zweierlei Hinsicht bedenklich, sagt Boyarsky. Erstens zählten Menschen mit einem geschwächten Immunsystem zu den Covid-Hochrisikogruppen und ein Impfschutz für sie wäre wichtig. Andererseits könnten gerade bei diesen Patientinnen und Patienten neue Virusmutationen entstehen, gegen die die vorhandenen Impfstoffe keinen Schutz bieten. Denn es konnte bereits gezeigt werden, dass das Sars-Coronavirus-2 in Menschen mit einem schwachen Immunsystem eher mutiert, wie wir auf science.ORF.at bereits berichtet haben.

Empfehlung: weiter vorsichtig sein

Die Forschung zur Wirkung der Impfungen bei Menschen mit einem geschwächten Immunsystem müsse deswegen unbedingt fortgesetzt werden, betont Boyarsky. Diesen Patienten empfiehlt er in jedem Fall, sich impfen zu lassen, man dürfe nach der Impfung aber nicht von einer Immunität ausgehen und müsse weiterhin vorsichtig sein. Vorsichtsmaßnahmen wie eine Maske zu tragen und Abstand zu halten, seien weiterhin wichtig, sagt der Transplantationsmediziner. Gleiches gilt für das Umfeld dieser Menschen, denn von einem hundertprozentigen Impfschutz kann nicht ausgegangen werden.