Arztin verarbreicht Patienten eine Injektion
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Impfungen

Mehr Nebenwirkungen bei Frauen: Wenige Fakten

Bisher sind in Österreich mehr als 22.000 Berichte von Impfnebenwirkungen eingegangen. Dabei zeigt sich: Frauen meldeten bisher mehr als doppelt so oft Impfreaktionen wie Männer – ähnlich wie in den USA. Als Erklärungen gibt es viele Theorien und wenige Fakten.

Das Immunsystem von Frauen und Männern ist unterschiedlich. So haben Frauen generell eine stärkere Immunabwehr als Männer, und auch bei Impfungen bilden Frauen in der Regel deutlich mehr Antikörper. Dafür gibt es eine biologische Erklärung, wie die Immunologin Erika Jensen Jarolim von der Medizinischen Uni Wien erklärt. „Das hängt auch damit zusammen, dass es eine gewisse Synergie gibt mit Östrogen, dem weiblichen Sexualhormon, dass die Antikörperproduktion fördert.“

Grundsätzlich ist eine starke Reaktion des Immunsystems auf Impfungen gut, so die Immunologin. „Wir wünschen uns ja den Aufbau von protektiven Immunglobulinen, die dann gegen die Infektion schützen.“

Melden Frauen eher?

Ob die stärkere Immunaktivität nun aber auch zu mehr Impfnebenwirkungen bei Frauen führen kann, ist unklar. Zwar berichten Frauen nicht nur bei der Coronavirus-Schutzimpfung häufiger Nebenwirkungen als Männer. Das könnte aber auch dran liegen, dass Frauen beobachtete Reaktionen häufiger melden – ähnlich wie sie eher zum Arzt gehen.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 6.5., 13:55 Uhr.

Studien, die den Unterschied im Detail aufklären versuchen, gibt es keine, erklärt auch der Klinische Pharmakologe Markus Zeitlinger von der Medizinischen Universität Wien. „Das ist sicher ein Aspekt, den wir noch viel zu wenig verstehen.“

Bisherige Analysen beschränken sich unter anderem auf die Auswertung von nationalen Registern über gemeldete Impfnebenwirkungen. Demnach stammten einer Untersuchung aus den USA zufolge 80 Prozent der Berichte über akute, allergische Reaktionen im Zeitraum zwischen 1990 und 2016 von Frauen. „Das ist sicher ein Indiz, dass hier etwas dahinter sein könnte. Trotzdem müssen auch die Anaphylaxie bzw. die normale allergische Reaktion nicht unbedingt schwere Ereignisse sein. Weshalb auch hier der Reporting-Bias eine Rolle spielen kann“, so Zeitlinger.

Auch bei der aktuellen Coronavirus-Schutzimpfung von Biontech/Pfizer sowie Moderna tauchen allergische bis hin zu anaphylaktischen Reaktionen deutlich öfter bei Frauen auf (62 von 66 Fällen). Das zeigt eine Analyse der US-Gesundheitsbehörde CDC. Allerdings verrät der Datensatz nicht, wie viele Männer und Frauen konkret in den jeweiligen Altersgruppen geimpft wurden, weshalb auch diese Studie keine eindeutige Antwort auf die Frage nach Geschlechterunterschieden liefert.

Analysen fehlen

In Österreich hat man die Zahlen bisher nicht analysiert. Auf Nachfrage heißt es: „Dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) liegen zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die den geschlechtsspezifischen Unterschied in der Frequenz der gemeldeten vermuteten Nebenwirkungen der COVID-19-Impfungen erklären würden.“ Auch die Hersteller selbst haben bis jetzt ihre Datensätze nicht im Detail nach etwaigen Geschlechterunterschieden bei normalen Impfreaktionen ausgewertet, erklärt Markus Zeitlinger.

Der Mediziner betont aber auch, dass es teilweise nicht einfach zu erkennen ist, ob Reaktionen nur häufiger berichtet werden oder ob sie auch tatsächlich häufiger auftreten. „Natürlich gibt es objektive Nebenwirkungen, die entweder objektiv gemessen werden können, weil sich Blutparameter verändern, oder weil sie eben sehr schwer sind und dadurch objektiv werden. Aber auch da wissen wir in Wirklichkeit sehr wenig über einen Genderunterschied.“