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AP – ICHPL Imaginechina
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Politikwissenschaft

Expertin: Digitaler Wandel gefährdet Demokratie

Die Digitalisierung birgt Gefahren für die Demokratien, meint die Politikwissenschaftlerin Gerda Falkner. Die bisherigen Regeln für die digitale Welt seien unzulänglich, um Menschen vor geschäftsmäßiger Ausforschung und politischer Manipulation zu schützen.

Schon jetzt sei es ein Wirtschaftsmodell, so viele Daten wie möglich zu erheben und die Menschen ständig zu beobachten, so Gerda Falkner anlässlich einer Online-Konferenz des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung (ITA) in Wien.

„Einerseits geben die Menschen ihre Aktivitäten freiwillig in den sozialen Netzwerken preis, zusätzlich werden aber ihre Verhaltensdaten im Internet auch in jeder Sekunde abgesaugt“, berichtete sie: „Sobald man ein Kästchen zum Akzeptieren der Nutzungsbedingungen anklickt, was man im modernen Leben immer öfter machen muss, gibt man damit seine Daten her“. Die US-Wirtschaftswissenschafterin Shoshana Zuboff bezeichnete dies im Jahr 2014 als „Überwachungskapitalismus“.

Daten als demokratisches Gut betrachten

Falkner spricht sogar vom „Beeinflussungskapitalismus“, den es zu unterbinden gilt: „Es passiert immer mehr unbewusste Einflussnahme auf die Menschen.“ Mittels „Mikrotargeting“ werden sie je nach ihrer politischen, religiösen und sozialen Einstellung unterschiedlich angesprochen, damit sie ein Produkt kaufen oder ihre Stimme bei der nächsten Wahl einem bestimmten Kandidaten geben. Dies gehöre verboten, genauso wie das „Nudging“, bei dem die Menschen etwa über die Benutzeroberflächen zu Entscheidungen „angestupst“ werden, weil ihnen dies leicht gemacht und anderes Verhalten erschwert wird.

Eine „handelsleitende Grundidee“ sollte sein, dass man die Daten der Menschen als „demokratiepolitisch bedeutsames Gut“ betrachtet, so die Wissenschaftlerin: „Der Besitz der Daten und die Kontrolle darüber sind ganz neu und im Sinne der demokratischen Gemeinwesen und der Einzelnen, und nicht der Digitalkonzerne, zu regeln.“ Dafür nimmt sie die Europäische Union und die einzelnen Mitgliedstaaten wie Österreich in die Pflicht. „Die Datenschutzgrundverordnung sieht ja rechtlich sehr schön aus, kann aber in der Praxis dauernd unterlaufen werden“, kritisiert sie.

Digitalplattformen herrschen

Ohne politische Regulierung könnte es eine Negativspirale zulasten der Menschen und der Demokratien geben, sagte die Forscherin: „Dominante Digitalplattformen übernehmen langsam de facto die Herrschaft, während die Bürger und Bürgerinnen ohne im engeren Sinne freiem Willen auf Basis fragwürdiger Information oder fremdgesteuert wählen und einkaufen.“ Mit tatkräftigen Interventionen könne man die Digitalisierung hingegen nutzen, um den Menschen mehr Mitgestaltungsmöglichkeiten zu bieten und sachliche politische Diskurse ermöglichen.

Falkner hält am Dienstagnachmittag einen Keynote-Vortrag bei der dreitägigen Online-Konferenz „Digital, direkt, demokratisch? Technikfolgenabschätzung und die Zukunft der Demokratie“, die vom Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) organisiert wird.