Unter dem Mikroskop: Zelle bei der Teilung
Bruce Bowerman
Bruce Bowerman
DNA

Der Zellteilung auf der Spur

Würde man die DNA in einem menschlichen Zellkern auseinanderziehen, wäre sie zwei Meter lang. Wie genau der DNA-Strang gefaltet und verpackt wird, untersucht der Zellbiologe Daniel Gerlich. Mit Hilfe einer 3D-Landkarte will er zeigen, was Chromosomen zu Verpackungskünstlern macht.

Die zwei Meter langen DNA-Stränge, auf denen das gesamte Erbgut des Menschen gespeichert ist, befinden sich platzsparend verpackt, um Proteinkügelchen gewickelt im Zellkern. Dabei bleiben sie dennoch beweglich: Sie bilden Schleifen, berühren sich an unterschiedlichen Stellen und interagieren dabei. So werden Reparaturprozesse in der DNA in Gang gesetzt, so wird gesteuert, wann welches Gen in ein Protein umgewandelt, also exprimiert wird.

3D-Landkarte gibt neue Einblicke

Um zu verstehen, wann und wo diese DNA-Kontakte stattfinden, hat der Zellbiologe Daniel Gerlich vom Institut für Molekulare Biotechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (IMBA) eine 3D-Landkarte des Erbguts entwickelt. „Dank DNA-Sequenzierung können wir Millionen von Kontakten messen und so diese 3D-Landkarte erstellen“, sagt Gerlich.

Doch Gerlich und seine Gruppe nutzen eine weitere Technologie, um diese Landkarte zu verfeinern: Lichtmikroskopie und Fluoreszenzmarkierung bestimmter Genombereiche. „Wir können mittlerweile mikroskopische Experimente so automatisieren, dass man hunderte von Genomregionen in tausenden von Zellen automatisch kartieren kann“, so Gerlich. Das Ziel sei, den Prozess vollständig zu automatisieren, um die Landkarte des Genoms effizient zu erweitern.

Falten, verpacken, verdoppeln

Im nächsten Abschnitt dieses großangelegten Projektes wollen sich Gerlich und sein Team auf die Vorgänge rund um die Zellteilung konzentrieren. Diesen komplexen Prozess, wie die zwei Meter lange DNA in einer exakten Kopie auf die neuen Zellen verteilt wird, werden die Forschenden in den kommenden Jahren gefördert durch einen Advanced Grant des Europäischen Forschungsrates (ERC), einer Förderung in Millionenhöhe, untersuchen (science.ORF.at hat darüber berichtet).

Bevor sich eine Zelle teilt, muss das Erbgut verdoppelt, dann auf die beiden Tochterzellen aufgeteilt und richtig gefaltet und verpackt werden. Denn erst durch diese Faltungen wird es möglich, dass DNA-Abschnitte in Kontakt kommen, die sich gar nicht in unmittelbarer Nähe befinden. „Das findet ungefähr in der Mitte des Zellzyklus statt“, erklärt Gerlich. Die DNA-Schlingen falten sich so zueinander, dass beispielsweise Reparaturprozesse unterstützt werden und sie schließlich in zwei zylindrischen Strukturen angeordnet sind. „So kann die DNA dann mechanisch auf die nächste Zellgeneration weitergegeben werden, wenn sich die Zelle teilt“, sagt der Zellbiologe.

Kleine Motoren steuern Prozess

Bereits vor hundert Jahren wusste man, dass sich das Erbgut vor der Zellteilung zu kleinen Körperchen organisiert, die dann vom sogenannten Spindelapparat auseinander gezogen werden, erklärt Gerlich. Diese Spindeln ziehen motorähnlich an den Chromosomen, bevor sich die Zelle teilt. Doch es gebe eben auch kleine Motoren, die innerhalb des Chromatins, des Materials, aus dem die Chromosomen bestehen, arbeiten. „Die erledigen bereits den Großteil der Arbeit, um diese duplizierten DNA-Stränge auseinander zu bewegen“, so Gerlich.

Der Spindelapparat komme erst zum Schluss ins Spiel. „Das ist das Neue, besser zu verstehen, wie diese Schwesterchromatiden voneinander gelöst werden“, sagt der Zellbiologe. Eine übergeordnete Bauanleitung kommt dabei nicht ins Spiel, die Neuanordnung und Faltung erfolgt in Selbstorganisation. „Man muss sich das wie Motoren vorstellen, kleine Proteinkomplexe, die Schlaufen bilden können, und die allein reichen aus, um diese zylindrischen Strukturen zu bilden“, sagt Gerlich.

Grundlagenforschung im Mittelpunkt

„Unser primäres Ziel ist Grundlagenforschung, also Erkenntnis schaffen – und das kann dann natürlich auch die Basis für technologische oder medizinische Entwicklungen werden“, so der Zellbiologe. Werden die Vorgänge rund um die Zellteilung und die Reorganisation von Chromosomen im Verlauf des Zellzyklus besser verstanden, also auch fehlgeschlagene DNA-Reparaturmechanismen, könnte das in Zukunft auch Einblicke in die Entstehung von Krankheiten liefern.