Mund, aus dem eine Schallwelle kommt
Adobe Stock/peterschreiber.media
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Sprachentstehung

Lautmalereien werden überall verstanden

Am Beginn der menschlichen Sprachentstehung könnten Lautmalereien gestanden sein. Darauf deuten neue Experimente von Forscherinnen und Forschern hin. Sie haben dieselben Lautmalereien Menschen vorgespielt, die ganz unterschiedliche Sprachen sprechen – und wurden überwiegend verstanden.

Bisher nahm man an, dass sichtbare Gesten – zum Beispiel mit den Armen schlagen für „Vogel“ – die wesentlichen Bausteine für die Entstehung menschlicher Sprache lieferten, und dass sich daraus die ersten menschlichen Sprachen entwickelt haben. „Unsere Studie beweist, dass Sprache auch aus Lautmalereien entstanden sein kann“, sagt die Phonologin Susanne Fuchs vom Leibniz-Zentrum Allgemeine Sprachwissenschaft (ZAS) in Berlin. „Die relativ eindeutigen Ergebnisse waren für mich verblüffend.“

Hohe Treffsicherheit über Sprachgrenzen hinweg

Für ihre soeben in der Fachzeitschrift „Scientific Reports“ erschienene Studie untersuchten Fuchs und ihr Team, ob Sprecherinnen und Sprecher ganz unterschiedlicher Sprachen überall auf der Welt 30 verschiedene Bedeutungen anhand von Lautmalereien verstehen können. Dafür wurden Bedeutungen gewählt, die in allen Kulturen vorkommen und die in der frühen Sprachevolution relevant gewesen sein könnten.

Die Bedeutungen umfassten Lebewesen, insbesondere Menschen und Tiere (Kind, Mann, Frau, Tiger ..), unbelebte Gegenstände und Zustände (Messer, Feuer, Stein …), Handlungen (sammeln, kochen, verstecken ..), Eigenschaften (stumpf, scharf, groß …), Quantifizierer (eins, viele) und Demonstrativpronomen (dies, das).

Es zeigte sich, dass die von englischen Sprechern produzierten Lautmalereien von Menschen mit ganz unterschiedlichem kulturellen und sprachlichen Hintergrund verstanden werden konnten. An der Studie haben Sprecher und Sprecherinnen von 28 Sprachen aus zwölf Sprachfamilien teilgenommen, darunter auch Gruppen aus Kulturen ohne Schriftsprache wie Palikúr, die im Amazonaswald leben, und Sprecher des Daakie auf der Insel Ambrym im südpazifischen Vanuatu. Unabhängig vom Sprachhintergrund erfassten die Studienteilnehmer die beabsichtigten Bedeutungen der Lautmalereien mit einer Treffsicherheit, die weit über dem reinen Zufall liegt.

“Schlafen“ war am eindeutigsten

Aleksandra Ćwiek, Doktorandin am ZAS kommentiert: „Unsere Ergebnisse zeigen, dass die akustische Domäne ein großes ikonisches Potenzial hat, welches es uns Menschen ermöglicht, sich ohne Sprache zu verständigen. Es ist etwas, was uns verbindet – von Japan bis an den Amazonas. Wir haben viel mehr gemeinsam als wir denken.“

Die Forscher und Forscherinnen fanden heraus, dass einige Bedeutungen durchgehend besser verstanden wurden als andere. Im Online-Experiment reichte die Genauigkeit von 98 Prozent für das Verb „schlafen“ bis zu 35 Prozent für das Demonstrativpronomen „das“. Am besten konnten die Teilnehmer und Teilnehmerinnen die Bedeutungen ‚schlafen‘, ‚essen‘, ‚Kind‘, ‚Tiger‘ und ‚Wasser‘ erkennen, am schlechtesten die Bedeutungen ‚das‘, ‚sammeln‘, ‚stumpf‘, ‚scharf‘ und ‚Messer‘.

Die Ergebnisse der Studie liefern klare Hinweise dafür, dass ikonische Vokalisierungen, also Lautmalereien, zu der Entstehung gesprochener Wörter geführt haben können. Die Forscher und Forscherinnen gehen aber auch davon aus, dass ikonische Gesten ebenfalls eine entscheidende Rolle in der Evolution der menschlichen Kommunikation gespielt haben, wie es auch bei der modernen Entstehung von Gebärdensprachen der Fall ist. Unsere heutige gesprochene Sprache ist multimodal, sie kann daher aus hörbaren Lautmalereien und sichtbaren Gesten entstanden sein.