Jon Snow und die Drachenkönigin
Helen Sloan/HBO
Helen Sloan/HBO
Tagung

„Game of Thrones“: Vorbild Mittelalter

Die TV-Serie „Game of Thrones“ hat nicht nur das Publikum in aller Welt begeistert, sie ist auch ein Fall für die Wissenschaft. Die Universität Innsbruck widmete ihr am Mittwoch eine ganze Tagung. Ein Thema dabei: die Parallelen der Serie mit der Geschichte des Mittelalters – von der Rivalität zwischen Adelshäusern bis zum Inzest.

Drachen, Magie und wiederauferstehende Tote – die Welt der TV-Serie „Game of Thrones“ ist stark von fiktiven und fantasievollen Inhalten geprägt. Aber auch Machtkämpfe um den Thron, Intrigen am Herrscherhof und starke Persönlichkeiten kommen in der Serie vor, die laut dem an der Universität Innsbruck tätigen Historiker Jörg Schwarz , teils große Ähnlichkeiten zur mittelalterlichen Realität aufweisen. Im Rahmen der heutigen Tagung hielt Schwarz daher einen Vortrag mit dem Titel: „Der mittelalterliche Herrscherhof als Vorbild? Macht und Machtstrukturen in Game of Thrones und die mittelalterliche Geschichte.“

Spielerei mit der Geschichte

Das wissenschaftliche Auseinandersetzen mit populären Medien und Wissenskulturen sei von großer Bedeutung. Gegenüber dem ORF erklärt der Historiker: „Die Serie will natürlich keine historische Realität abbilden, aber sie spielt mit geschichtlichen Motiven und hat dadurch indirekt durchaus mit Geschichte zu tun.“ Historikerinnen und Historiker seien dazu aufgerufen, so Schwarz, auch Themen wie die Welt von „Game of Thrones“ zu untersuchen, um zu zeigen, dass die Wissenschaft Teil des gesellschaftlichen Diskurses sei.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 12.5.2021, 13:55 Uhr.

In der Serie werde aber natürlich sehr frei mit der mittelalterlichen Realität umgegangen. Schwarz: „Ich würde hier von einer Art Medievalismus sprechen, also von einer Spielerei mit der mittelalterlichen Geschichte.“

Der Kampf um den Thron

Der Handlungsbogen der Serie sei mit den englischen Rosenkriegen des 15. Jahrhunderts vergleichbar. Von 1455 bis 1485 gab es damals, ähnlich wie in „Game of Thrones“, einen jahrzehntelangen Kampf um den englischen Thron zwischen den beiden rivalisierenden Adelshäusern York und Lancaster.

Hierbei seien auch Ähnlichkeiten zu den in der Serie vorkommenden Namen und Adelshäusern erkennbar. So sei es laut Schwarz wahrscheinlich, dass die in „Game of Thrones“ vorkommende Familie „Stark“ vom englischen Adelshaus „York“ komme und die Familie „Lennister“ von „Lancaster“.

Eine zentrale Rolle in der Erfolgsserie spielt der Herrscherhof in der fiktiven Hauptstadt Königsmund. Dort werden die wichtigsten politischen Entscheidungen getroffen und Pläne gegen Konkurrenten geschmiedet. Aus historischer Sicht sei der Herrscherhof ein besonders interessantes Thema. Schwarz: „Der Hof ist etwas, was uns in der Mittelalterforschung schon seit sehr langer Zeit beschäftigt.“ So habe man bereits viel Forschung zum Personal am Hof, der dortigen Machtstruktur und den Hintergrundfiguren und Drahtziehern betrieben. „Das sind natürlich alles Themen, die auch in der Serie eine große Rolle spielen“, so der Universitätsprofessor.

Cersei Baratheon und ihr Bruder Jaime
HBO

Joffrey ähnelt Richard II., Cersei Eleonore von Aquitanien

Die am fiktiven Herrscherhof in Königsmund tätigen Personen seien zum Teil stark an reale Persönlichkeiten angelehnt, wie zum Beispiel der noch im Kindesalter an die Macht kommende Joffrey Baratheon. In der Serie wurde er als grausame Person dargestellt, der mit den Aufgaben als Herrscher teilweise kaum zurechtkam. Schwarz: „Bei Joffrey gibt es große Ähnlichkeiten zu dem englischen König Richard II., dem Kindskönig.“ Generell werde die Problematik des Kindskönigtums laut dem Historiker gut in „Game of Thrones“ behandelt.

Neben Joffrey sei aber auch die Figur von Cersei Baratheon an reale Personen angelehnt. Die Mutter von König Joffrey wurde in der Serie als mächtige Frau und Drahtzieherin des politischen Geschehens in Königsmund gezeigt. „Hier gibt es eine Reihe von Möglichkeiten, Personen aus dem Mittelalter zu identifizieren, die Ähnlichkeiten mit der mächtigen Königsmutter aufweisen“, so Schwarz. Dazu gehört etwa Eleonore von Aquitanien, die erst Königin von Frankreich, dann Königin von England und generell eine der einflussreichsten Frauen des Mittelalters war. Cersei weise aber auch Merkmale von Margarete von Anjou auf, der Frau des mit den Jahren immer debiler werdenden englischen Königs Heinrich VI.

Inzest in den Herrscherhäusern

Schon in der ersten Folge von „Game of Thrones“ wird Cersei Baratheon beim Geschlechtsverkehr mit ihrem Bruder gezeigt. Inzest habe, so Schwarz, auch im Mittelalter eine große Rolle gespielt: „Die Inzestfrage war speziell ab dem Hochmittelalter ein großes Problem, das auch zur manchmal absichtlich herbeigeführten Auflösung von Ehen führen konnte.“ In der Serie sei die Thematik natürlich dramatisiert dargestellt, trotzdem habe sie Wurzeln in der mittelalterlichen Realität.

Ob man aus der Serie „Game of Thrones“ aber wirklich etwas über das Mittelalter und die Geschichte lernen kann? Für Schwarz ist klar: „Ich würde sagen, die Serie ist ein gutes Sprungbrett – wenn auch der Wille da ist, sich hinterher mit den Quellen, mit der Sekundärliteratur, mit der Fachliteratur und mit den Büchern selbst auseinanderzusetzen.“