Junge Frau sitzt erschöpft am Schreibtisch
StockPhotoPro – stock.adobe.com
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Was tun bei Long Covid?

Die akute Infektion ist überstanden, doch die Symptome wollen nicht verschwinden: In Österreich sind etwa 60.000 Personen von Long Covid betroffen. Für sie ist der Weg zu einer geeigneten Therapie oft schwierig – was können sie tun?

Atembeschwerden, Herzrasen, Erschöpfung – auch noch mehr als drei Monate nach der Infektion. Diese Symptome sind typisch für eine Long-Covid-Erkrankung. Mit diesen Beschwerden kommen viele – auch junge Patientinnen und Patienten zum Facharzt für Innere Medizin und Lungenkrankheiten Ralf-Harun Zwick, er leitet die ambulante internistische Rehabilitation in der Therme Wien Med. "Das beginnt beim Kopf und geht bis zu den Zehen: Veränderungen können auftreten im Nervensystem, an der Lunge, am Herzen, im Bereich des Darmes, an der Haut.“

Genaue Checks notwendig

Zuerst muss untersucht werden, wo genau das Problem liegt und welche Organe beeinträchtigt sind. In der Regel finde man Ursachen für die Probleme, sagt Zwick, beispielsweise Veränderungen, die man mit der Lungenfunktion messen könne, etwa eine Diffusionsstörung. Oft sei die Atemmuskulatur geschwächt. In der Therapie versuche man gezielt, diese Muskulatur zu aktivieren. Veränderungen am Herzen könne man ebenso diagnostizieren. Vor allem gehe es hier um Entzündungsprozesse. Auch sie könne man gut behandeln.

Schwieriger ist die Diagnose im Fall von Erschöpfung. Von diesem Symptom seien überproportional viele junge Menschen betroffen, sagt Ralf-Harun Zwick. Möglicherweise reagiert das Immunsystem gerade bei jungen Menschen überschießend auf die Infektion.

Long Covid oder Depression?

Ich will, aber ich kann nicht: So beschreiben viele Patientinnen und Patienten ihren Zustand, sagt der Wiener Neurologe Michael Stingl. Die Betroffenen wollen aufstehen, arbeiten, Sport betreiben – aber sie schaffen es einfach nicht, obwohl sie motiviert sind. Das unterscheide Long Covid von einer Depression, die man allerdings auch nie ganz ausschließen könne, so Stingl. Mit verschiedenen medizinischen Checks kann weiter geprüft werden. Bei vielen Betroffenen sei etwa die Regulation des Kreislaufs beeinträchtigt, sie fühlen sich schwindlig und schwach.

“Gechillt“ trainieren

Die Rehabilitation bei Long Covid unterscheidet sich deutlich von anderen Programmen: Denn wichtig ist es hier, dass die Betroffenen nur moderat trainieren – und niemals über ihre Grenze hinausgehen. In der Fachsprache nennt man das „Pacing“, vereinfacht gesagt: aufs Tempo achten.

Bei einem jungen Menschen, der gewohnt ist, hundert Prozent zu leisten, liege diese Schwelle nun nur bei etwa dreißig bis vierzig Prozent. „Wenn wir den behandeln würden wie sonst, mit einer Leistungsgrenze bei sechzig bis siebzig Prozent von dem, wovon wir ausgehen, dann würden wir ihn tatsächlich in die Erschöpfung treiben – aber das wollen wir nicht“, sagt Ralf Harun Zwick.

Selbstbeobachtung gefragt

Auch der Wiener Neurologe Michael Stingl hält es für essenziell, dass Betroffene rechtzeitig eine Pause einlegen, bevor sie an den Punkt kommen, an dem sie sich überanstrengen. Hierfür gebe es auch Hilfsmittel wie etwa Pulsuhren. Mit ihnen kann man anhand der Herzfrequenz die Grenze erkennen, die individuell sehr unterschiedlich ist. So könne man sich selbst beobachten und die Frühzeichen einer Überanstrengung erkennen. Bei vielen Betroffenen sei das etwa die Zunahme des Krankheitsgefühls.

Überanstrengung kann bei Long-Covid-Patientinnen und Patienten eine Verstärkung der Symptome bewirken und sogar dazu führen, dass die Erschöpfung chronisch wird, sagt Stingl. Durch das moderate Training versuche man jedoch, das Aktivitätsniveau langsam Schritt für Schritt anzuheben. In den allermeisten Fällen stabilisiere sich so der Zustand der Betroffenen und werde langsam aber doch wieder besser.