Illustration der inneren Organe eines Menschen, in roter Farbe hervorgehoben: der Darm
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Studie

Mit Rektalbeatmung gegen Covid-19

Manche Fische atmen mit dem Darm. Wie japanische Forscherinnen und Forscher berichten, können das auch Säugetiere. Sie haben eine Art rektale Beatmungsmethode erfunden – und die könnte gerade in Zeiten von Covid-19 wichtig sein.

Ob das Team um Takanori Takebe von der Medizinuniversität Tokyo ein Anwärter für den IgNobelpreis ist, der alljährlich kuriose Forschungsresultate auszeichnet, oder ob es tatsächlich eine wichtige Grundlagenforschung für künftige Beatmungstechniken liefert, ist aus jetziger Sicht noch nicht zu entscheiden. Möglicherweise trifft ja auch beides zu. Der Gastroenterologe spricht jedenfalls von einem „neuen Paradigma für kritisch erkrankte Patienten, deren Atem versagt“.

Mäuse überlebten deutlich länger

Für ihre soeben in der Fachzeitschrift “Med" erschienene Studie haben die Forscherinnen und Forscher einen Ansatz verfolgt, der von anderen Vertretern des Tierreichs lange bekannt ist: Manche Fische, wie etwa der Ostasiatische Schlammpeitzger, und Seegurken können mit dem Darm atmen. Dass auch der Mastdarm von Säugetieren wie dem Menschen prinzipiell zur Aufnahme von Sauerstoff fähig ist, wurde zwar auch schon untersucht. Takebe und sein Team wollten es nun aber genauer wissen.

Dazu bauten sie in einem ersten Schritt ein rektales Beatmungssystem für Mäuse, deren Sauerstoffzufuhr über die Lungen sie absichtlich minimierten. Ohne Rektalbeatmung überlebte keines der Tiere länger als elf Minuten, mit ihr überlebten drei Viertel der Tiere 50 Minuten eine Umgebung mit extrem niedriger, tödlicher Sauerstoffsättigung. Um diese Wirkung zu erzielen, mussten die Forscherinnen und Forscher die – prinzipiell schützende – Darmschleimhaut der Mäuse abschürfen – wodurch mehr Sauerstoff ins Blut diffundierte.

Flüssige Sauerstoffzufuhr auch bei Schweinen effektiv

Da dies für einen klinischen Einsatz wenig sinnvoll erschien, entwickelte das Team um Takebe ein zweites System: eine flüssige Sauerstoffzufuhr, bei der kein Eingriff in die Schleimhaut nötig ist. Die Forscher verwendeten dazu Perflunafen, eine chemische Substanz, die schon als Blutersatzmittel verwendet wurde, weil sie Sauerstoff sehr gut lösen kann und ihre Sicherheit bei Menschen bereits untersucht ist.

Mäusen, die in einer Kammer mit niedriger, aber nicht tödlicher Sauerstoffsättigung eingeschlossen waren, wurde eine Perflunafen-Sauerstoff-Mischung in den Darm gespritzt, danach ihr Verhalten beobachtet. Im Vergleich zu Artgenossen ohne diese Technik bewegten sich die Mäuse deutlich weiter voran und ihre Herzen waren besser mit Sauerstoff versorgt. Ähnliche Resultate fanden die japanischen Forscherinnen und Forscher auch bei Schweinen. Die anale Sauerstoffzufuhr sorgte bei ihnen für eine gesündere Hautfarbe, mehr Sauerstoff im Blut, und zwar ohne Nebeneffekte, wie die Forscher schreiben. Damit sei in zwei Fällen von Säugetieren das Prinzip bewiesen, dass der Ansatz Atemversagen mildern kann.

Klinische Studien sollen rasch folgen

Ein Ansatz, der im Zuge der Covid-19-Pandemie nun schnell zu klinischen Studien führen soll. „Die Pandemie hat den Bedarf an Beatmungsgeräten und künstlichen Lungen gezeigt. Der Mangel daran hat Patientinnen und Patienten weltweit gefährdet", sagt Takebe. „Wenn man den Grad der Sauerstoffversorgung unserer Technik auf Menschen umrechnet, ist er vermutlich hoch genug, um Patienten mit schwerer Atemnot zu behandeln.“

Bis es zu einer Rektalbeatmung beim Menschen kommt, wird es auf jeden Fall noch dauern. Eine Reihe von Herausforderungen sind jetzt schon klar, etwa wie sich die plötzliche Sauerstoffzufuhr auf die wichtigen Mikroorganismen im Darm auswirken. Auch sei ein Vergleich mit einem menschlichen Körper, der an SARS-CoV2 erkrankt ist und mit Entzündungsprozessen aller Art kämpft, schwierig, betont der Gastroenterologe Caleb Kelly von der Yale University in einem Begleitkommentar zur Studie. Dennoch sei den Autorinnen und Autoren zu danken für den Nachweis der prinzipiellen Durchführbarkeit ihrer Methode.