Ein Kind blickt stumm durch ein Fenster
altanaka – stock.adobe.com
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Gesundheit

Stress in der Kindheit beeinflusst gesamtes Leben

Der Grundstein für ein gesundes Leben wird schon früh gelegt, denn belastende Kindheitserfahrungen können sich auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirken. Wie Experten bei der „European Health Week“ betonen, bräuchte es dafür mehr Bewusstsein und konkrete Unterstützung für Familien.

Bei den sogenannten ACEs (Adverse Childhood Experiences) handelt es sich um potenziell traumatische Erfahrungen im Kindesalter. Harald Geiger, Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde und seit 2009 ärztlicher Leiter für Kinder- und Jugendgesundheit im Geschäftsbereich Gesundheitsbildung des aks (Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin) in Bregenz, erklärt dazu gegenüber dem science.ORF.at: „Zu den ACEs zählen etwa Kindesmisshandlung, emotionaler, körperlicher oder sexueller Missbrauch, Vernachlässigung in jeder Form und Situationen, in denen die Eltern zum Beispiel Drogenmissbrauch betreiben oder wo Elternteile selbst Gewalt in deren Familien erfahren haben.“

Probleme, Drogenkonsum und Risikobereitschaft

In seinem Vortrag, der im Rahmen der European Public Health Week von der GÖG (Gesundheit Österreich GmbH) organisiert wurde, erklärte Geiger, dass potenziell traumatische Erlebnisse im Kindesalter Auswirkungen auf das gesamte restliche Leben haben können. Bereits im Jahr 1998 wurden die Folgen der belastenden Kindheitserfahrungen in einer Studie analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass zumindest einer von sechs Erwachsenen vier oder mehr traumatische Erfahrungen in seiner Kindheit gemacht hat. Außerdem wurden fünf der zehn häufigsten Todesursachen, zum Beispiel Herzerkrankungen, in Zusammenhang mit den belastenden Kindheitserfahrungen gebracht.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 20.5. um 13:55.

Laut Geiger weisen betroffene Personen im Erwachsenenalter oft mentale Probleme auf, sie legen eher ein gesundheitsabträgliches Verhalten an den Tag, neigen dazu Drogen zu nehmen und generell risikobereiter zu sein. Vor allem treffe das Personen aus sozial schwächeren Verhältnissen.

Unterstützung und Sensibilisierung

Die Effekte der belastenden Kindheitserfahrungen seien aber von Person zu Person unterschiedlich. „Die Auswirkungen sind natürlich immer davon abhängig, wie die Person selbst damit umgehen kann“, so Geiger. Unterstützungsmöglichkeiten könnten betroffenen Familien jedoch helfen. Als Beispiel nennt der Facharzt für Kinder- und Jugendgesundheit etwa die Frühen Hilfen, die seit 2011 in immer mehr politischen Verwaltungsbezirken in Österreich zur Verfügung stehen. Seit 2021 gibt es dabei auch einen eigenen Bereich für Eltern und Familien.

Neben staatlichen Unterstützungsmöglichkeiten sei aber auch eine Sensibilisierung bei Ärztinnen und Ärzten notwendig. „Wenn man als Arzt die richtigen Fragen stellt, kann man zum Beispiel bereits gleich nach der Geburt feststellen, ob etwa eine Depression bei der Mutter vorliegt oder andere eventuelle ACEs in der Familie auftreten könnten“, erklärt Geiger. Bei der Behandlung von Erwachsenen müssten ebenfalls eventuelle belastende Erfahrungen in deren Kindheit berücksichtigt werden.

Zusammengefasst erklärt der Facharzt für Kinder- und Jugendgesundheit: „Es ist einfach wichtig für Eltern Bedingungen zu schaffen, dass sie ihre Kinder in einer möglichst stressfreien, finanziell abgesicherten und wohnortgesicherten Situation aufziehen können.“ Damit könne man für die körperliche und geistige Gesundheit vieler Erwachsenen bereits im Kindesalter eine gute Basis schaffen.