Raumfahrer bei einem Außeneinsatz auf der ISS
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Raumfahrt

Unterwäsche im Weltraum sauber halten

Auf der Internationalen Raumstation (ISS) gibt es keine herkömmliche Dusche und auch keine Waschmaschine. Hygiene wie auf der Erde ist deshalb schwierig. Österreichische Forscherinnen und Forscher untersuchen nun, wie man mit Hilfe von Mikroben nicht zuletzt die Unterwäsche im Weltraum sauber halten könnte.

Die Astronautinnen und Astronauten waschen sich mit Feuchttüchern und speziellen Shampoos, die Kleidung wird länger als auf der Erde getragen, gebrauchte Wäsche entsorgt. Komplexere Kleidungsstücke wie Raumanzüge und dazugehörige Ausrüstung müssen sie sich teilen, ohne dass sie dazwischen gewaschen werden. Dazu zählt auch das sogenannte „Liquid Cooling and Ventilation Garment“ (LCVG).

Bei Weltraumspaziergängen wird dieses LCVG laut Europäischer Weltraumorganisation ESA unter dem Raumanzug direkt auf der Haut getragen. Es verfügt über Kühlungsschläuche und eine Gasbelüftung, um die Astronauten während der anstrengenden körperlichen Arbeit im All wohltemperiert zu halten, und muss mit den Kollegen geteilt werden. Dieses „Unterwäsche-Sharing“ wird bei längeren Missionen, etwa einer Raumstation in der Mondumlaufbahn, wohl noch zunehmen.

Mikrobeneinsatz ohne Nebenwirkungen

Derzeit werden häufig antimikrobielle Materialien wie Silber oder Kupfer verwendet. Sie reduzieren die Vermehrung von Mikroorganismen in Kleidungsstücken, die so länger getragen werden können. „Das Problem ist, dass ihre langfristige Verwendung Hautreizungen hervorrufen kann“, erklärt Seda Özdemir-Fritz vom Österreichischen Weltraum Forum (ÖWF). Dieses hat sich daher mit einer neuen Idee im Rahmen der „Open Space Innovation Plattform“ der ESA beworben und kürzlich den Zuschlag für ein zweijähriges Forschungsvorhaben erhalten.

Gemeinsam mit dem Start-Up Vienna Textile Lab (VTL) will das ÖWF im Projekt „Biocidal Advanced Coating Technology for Reducing Microbial Activity“ (BACTeRMA) versuchen, mit Hilfe von Mikroorganismen Kleidungsstücke länger sauber und frisch zu halten. Dabei sollen Stoffwechselprodukte von Bakterien Textilfasern widerstandsfähiger gegen Mikroben, Pilze, usw. machen.

ESA astronaut Thomas Pesquet bei der Anprobe eines Raumanzugs – er trägt bereits ein LCVG
Robert Markowitz / NASA – Johnson Space Center
ESA astronaut Thomas Pesquet 2020 bei der Anprobe eines Raumanzugs – er trägt bereits eine LCVG-Unterwäsche

„Im Zuge unserer Entwicklungsarbeiten für Raumanzüge haben wir festgestellt, dass auch die darunter getragene Kleidung interessant ist – nicht nur wegen der Geruchsentwicklung, sondern auch weil die mikrobiologische Belastung gerade bei Textilien auf Dauer ein nicht zu unterschätzendes Problem ist“, erklärte ÖWF-Direktor Gernot Grömer gegenüber der APA. Deshalb kooperiere man nun mit dem VTL, das sich mit bakteriellen Stoffwechselprodukten beschäftigt.

Bakterium schützt vor Pilzen und färbt blau

„Mikroben produzieren unter Stress, also wenn ihnen kalt oder heiß ist, wenn sie Hunger haben usw. sogenannte sekundäre Metaboliten, um sich vor extremen Umweltbedingungen zu schützen“, sagte VTL-Gründerin Karin Fleck zur APA. Diese Stoffwechselprodukte sind teilweise farbig, und das 2017 gegründete Start Up der technischen Chemikerin nutzt sie bisher primär, um organische Farben als nachhaltige und umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen synthetischen Farben zu produzieren. Für die Bakterien ist die Farbe nur ein Nebeneffekt, primär haben die Metaboliten antimikrobielle, antivirale und antifungale Eigenschaften, „und wir versuchen nun, diese auf Textilien zu übertragen“.

Als Beispiel nennt Fleck das Bakterium „Janthinobacterium lividum“. Es lebt auf der Haut eines in Nordamerika vorkommenden Salamanders und produziert die Substanz Violacein. Diese schützt aufgrund ihrer antifungalen Wirkung nicht nur den Schwanzlurch vor Pilzattacken, sondern färbt auch verschiedenste Textilien sehr gut blau.

Im Weltraum geht es „grindig“ zu

Für Fleck ist das Interessante an dem Projekt, dass man sich einmal Gedanken darüber macht, wie sich das Mikrobiom von Astronauten – auch in Wechselwirkung zur Kleidung – verhält. „Je mehr wir über das Projekt lernen, klingt es so, dass es im Weltraum ziemlich grindig zugeht“, sagte sie und verweist darauf, dass Astronauten etwa ein viel höheres Risiko für Hautkrankheiten oder Allergien haben als auf der Erde. Bei Raumanzügen werde viel Forschung hineinsteckt, um die Astronauten vor äußeren Umwelteinflüssen zu schützen, aber bisher wurde nur wenig Zeit damit verbracht nachzudenken, wie der Kontakt zum Körper gemanagt wird.

Elektronenmikroskopaufnahme einer der Testtextilien
ÖWF
Elektronenmikroskopaufnahme einer der Testtextilien

So betont auch ESA-Materialingenieurin Malgorzata Holynska, dass die neue Initiative „eine Ergänzung ist, die für alle Arten von Textilien in der Raumfahrt nützlich sein könnte – einschließlich der Innenseite von Raumanzügen“. Für Grömer geht es darum „zu zeigen, dass die Technologie des VTL auch weltraumtauglich gemacht werden kann“.

Im BACTeRMA-Projekt wollen die Forscherinnen und Forscher nicht nur die Leistung der antimikrobiellen Eigenschaften in den neuen Textilien testen. Sie wollen sie auch Staub und Strahlung aussetzen, um Bedingungen zu simulieren, die die Alterung und Verschlechterung des Gewebes im Weltraum beschleunigen könnten.