Ärztin mit Datenblatt im Krankenhaus
©ipopba – stock.adobe.com
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Gesundheitsregister

Wie vernetzte Daten Krebstherapien verbessern

Im Rahmen des Grünen Passes hatte das Gesundheitsministerium geplant, Daten für eine bessere Bekämpfung von Krankheiten zu verknüpfen. Nach heftiger Kritik von Datenschützern wird es ein derartiges „Gesundheitsregister“ nun nicht geben, es ist nicht Teil der im Nationalrat beschlossenen Gesetzesnovelle. Wie Patienten von vernetzten Daten profitieren, zeigt ein Krebsregister, das seit mehreren Jahren im Tumorzentrum Oberösterreich verwendet wird.

Wie häufig welche Krebserkrankungen in Österreich sind, das wird im Nationalen Krebsregister der Statistik Austria dokumentiert. Diese Datenbank sagt aber wenig darüber aus, wie gut Patientinnen und Patienten versorgt werden. Um darüber Aussagen treffen zu können, braucht es sogenannte klinische Krebsregister. Dort wird dokumentiert, welche Krebstherapien ein Patient, eine Patientin bekommt, wie gut er oder sie darauf anspricht; welche Nebenwirkungen oder Komplikationen auftreten.

In Oberösterreich werden diese Daten in allen elf Spitälern, die zum Tumorzentrum Oberösterreich gehören, in einer gemeinsamen Datenbank dokumentiert, erklärt dessen Leiter Ansgar Weltermann. „Da die Information zu den Patienten in der Datenbank in einer extrem hohen Qualität zur Verfügung steht, können auch bessere Behandlungsempfehlungen für den einzelnen Patienten gegeben werden.“ Wechselt ein Patient das Spital, da er eine besondere Behandlung wie etwa eine Strahlentherapie braucht, wechselt auch seine onkologische Akte das Krankenhausinformationssystem, und der behandelnde Arzt kann darauf zugreifen. „Wir haben keine Lücke in der Dokumentation und auch keine Doppelerfassung.“

Bessere Therapieempfehlungen durch digitale Patientenakte

Ob eine Therapie wirkt oder es einen Rückfall gibt, zeigt sich in der Krebsbehandlung oft erst nach Jahren, sagt der Onkologe. Auf Basis der im System vorliegenden Informationen erstellen die Expertinnen und Experten der verschiedenen Disziplinen in sogenannten Tumorboards einen Behandlungsplan. Dank der digitalen Akte ist der bisherige Behandlungsverlauf für das medizinische Personal auf einen Blick ersichtlich und damit schneller klar, bei welchen Therapien es Komplikationen gab oder welche Therapieansätze bisher noch nicht ausprobiert wurden.

Bei einer Krebsbehandlung greifen Strahlentherapie, Hormontherapie, Chemotherapie und Operation ineinander, erklärt Ansgar Weltermann. Umso wichtiger sei es, die komplette Kette an Information zu analysieren – auch hinsichtlich der allgemeinen Behandlungsqualität. Am Tumorzentrum Oberösterreich werden beispielsweise jedes Jahr mehr als 1.000 Prostatakarzinome und mehr als 600 Mammakarzinome behandelt. „Mit dieser hohen Fallzahl kann man natürlich auch in einzelnen Tumorstadien untersuchen, wie hoch die Behandlungsqualität ist, und ob sie mit den Ergebnissen, die beispielsweise in Studien publiziert sind, übereinstimmt.“

Dabei muss nicht nur der Datenschutz der Patienten, sondern auch der behandelnden Ärzte gewahrt werden, so Weltermann. Es sei nicht sinnvoll, einzelne Spitäler miteinander zu vergleichen. Dafür seien die Patienten, die in ein bestimmtes Spital kommen, zu unterschiedlich – sie kommen vom Land oder von der Stadt; haben Vorerkrankungen oder nicht; sind jünger oder älter. In sogenannten Qualitätszirkeln diskutieren die Ärztinnen und Ärzte über die gesammelten Daten, berichtet der Leiter des Tumorzentrums. Damit diese Qualitätssicherungsprozesse funktionieren, brauche es eine Kultur des Miteinanders.

Österreichweites Register könnte Forschung unterstützen

Ein verlaufsbezogenes Register habe zwei Ziele, sagt der Gesundheitsökonom Thomas Czypionka vom Institut für höhere Studien. „Das eine ist natürlich die Qualitätssicherung der Behandlung, aber daraus folgend auch Schlüsse zu ziehen, wie man Krebs oder wie man gewisse Krebsformen generell besser behandeln kann.“ Die molekulare Diagnostik von Krebs habe sich in den letzten Jahren enorm verbessert. Und damit wurden auch die Behandlungen der Patientinnen und Patienten individueller. Umso interessanter sei es für die Forschung zu analysieren, bei welcher klinischen und molekularen Ausgangslage, welche Behandlungsstrategien die besten Erfolge erzielen. „Da die einzelnen Krebsformen sehr differenziert zu sehen sind, brauche ich dadurch auch entsprechend viele Patientinnen und Patienten, um solche Schlüsse ziehen zu können.“

Thomas Czypionka untersucht gerade im Rahmen eines Forschungsprojekts die klinischen Krebsregister, die es in Europa gibt, und analysiert, deren Erfolgsfaktoren und Hürden. „Wir sehen generell, international, dass solche Initiativen vor allem dann Erfolg haben, wenn sie von den Klinikerinnen und Klinikern auch wirklich getragen werden.“ Das Klinikpersonal muss aus dem Krebsregister einen Nutzen für die tägliche Arbeit ziehen können, sagt der Ökonom. Denn immerhin sind auch sie es, die die Daten eingeben und aktuell halten müssen.

Patientinnen und Patienten stärker einbinden

Ansgar Weltermann ist vom Nutzen „seines“ Krebsregisters überzeugt und sieht darin auch eine Art Generationenvertrag: „Es sollte den Patienten klar werden, dass die Daten, die sie zur Verfügung stellen, einerseits gut geschützt sind, aber andererseits dazu beitragen können, dass die nächste Generation an Krebspatienten eine bessere Versorgung bekommt.“

Gleichzeitig räumt er ein, dass der Aufklärung der Patientinnen und Patienten, was die Verwendung von Gesundheitsdaten betrifft, im klinischen Alltag oftmals zu wenig Zeit eingeräumt wird. Es müsse eine Diskussion darüber geben, warum das Sammeln von Gesundheitsdaten wichtig ist und wo die Grenzen liegen – wo der einzelne und die einzelne der Verarbeitung seiner oder ihrer Gesundheitsdaten auch widersprechen kann.