See mit dichter Algendecke
allensima – stock.adobe.com
allensima – stock.adobe.com
Klimawandel

Immer mehr Todeszonen in Seen

Todeszonen kannte man bisher vor allem aus Ozeanen, wo Sauerstoffmangel alles Leben auf dem Meeresboden auslöscht. Jetzt weist ein internationales Forscherteam nach: Durch den Klimawandel kommt es auch in Seen zu so einer fatalen Entwicklung.

Die Wissenschaftler um Kevin Rose und Stephen Jane vom Rensselaer Polytechnic Institute (USA) haben die Entwicklung von Sauerstoffkonzentration und Temperatur von 393 Seen weltweit in einem Zeitraum von über 70 Jahren untersucht. Durch die globale Erwärmung wird auch die Wasseroberfläche von Seen immer wärmer, womit weniger Sauerstoff aus der Atmosphäre in das Wasser diffundieren kann.

„Wir beobachten diesen Trend weltweit, wollten aber auch untersuchen, was in der Tiefe der Seen passiert und wie signifikant diese Entwicklung weltweit ist“, erklärt Ruben Sommaruga von der Universität Innsbruck, einer der Studienautoren.

Ursache: Höhere Temperaturen

Der Studie zufolge ist der Sauerstoffgehalt in den untersuchten Seen seit 1980 um 5,5 Prozent an der Oberfläche und um 18,6 Prozent in tieferen Zonen gesunken. Damit ist der Verlust in den Seen drei- bis neunmal stärker als im Meer. Österreichische Seen wurden in der Studie nicht erfasst, es gebe hier keine sehr guten langfristigen Daten über die Sauerstoffkonzentration mit hoher zeitlicher Auflösung, sagt Sommaruga.

Der Rückgang der Sauerstoffsättigung in den oberflächennahen Wasserschichten ist jedenfalls auf die gestiegene Temperatur zurückzuführen. Diese stieg im Untersuchungszeitraum im Schnitt um 0,38 Grad Celsius pro Jahrzehnt an.

Abbau von Algen verbraucht Sauerstoff

In fast einem Viertel der Seen wurde allerdings trotz steigender Temperaturen ein höherer Sauerstoffgehalt an der Oberfläche beobachtet. Das war vor allem dort der Fall, wo über Einträge aus der Landwirtschaft zusätzlich Stickstoff und Phosphor in die Seen gelangen, was zur Überdüngung und in der Folge zur verstärkten Algenbildung führt. „Algen produzieren zwar durch Fotosynthese mehr Sauerstoff in der oberen Wasserschicht, sterben sie aber ab, sinken sie auf den Grund, wo die Abbauprozesse erneut viel Sauerstoff verbrauchen“, so Sommaruga.

Satellitenbild der Eriesee
NASA image by Jeff Schmaltz, LANCE/EOSDIS MODIS Rapid Response. Caption by Mike Carlowicz and Jeff Schmaltz.
Im Eriesee an der Grenze zwischen Kanada und den USA wurde schon 2012 ein starker Sauerstoffrückgang nachgewiesen

Das ist einer der Gründe für die starke Abnahme der Sauerstoffkonzentration in der Tiefe, wo die Wissenschaftler übrigens keine Temperaturzunahme registriert haben. Ein anderer Grund dürfte mit den steigenden Wassertemperaturen an der Oberfläche und längeren Warmzeiten pro Jahr zusammenhängen. Dadurch kommt es zu einer stärkeren Schichtung der Seen, deren Wasser sich manchmal über lange Perioden nicht komplett mischt und der Sauerstoff nicht in die Tiefe gelangen kann.

Höhere Lebensformen verschwinden

Mit der abnehmenden Sauerstoffkonzentration verschwinden auch die meisten Lebensformen. „Nur wenige Spezialisten wie Einzeller können dort ohne Sauerstoff überleben. Für alle höheren Lebensformen ist das eine Todeszone“, so Sommaruga. Vor allem Arten, die auf kalte, sauerstoffreiche Gewässer spezialisiert sind, würden zunehmend Schwierigkeiten haben, zu überleben.

Zudem produzieren Bakterien, die in Umgebungen ohne Sauerstoff gedeihen, auch das potente Treibhausgas Methan. Als Folge des Sauerstoffverlusts könnten Seen somit größere Mengen an Methan in die Atmosphäre abgeben.

„Die Abnahme von Sauerstoff in Seen hat negative Konsequenzen für die grundlegende Funktion des Sees, seine Wasserqualität und die Biodiversität“, so der Ökologe. Der beobachtete Trend ist aber nicht nur ein Problem für die komplexen Ökosysteme von Seen, die nur etwa drei Prozent der Landoberfläche der Erde ausmachen, sich aber durch eine überproportional hohe Artenvielfalt auszeichnen. Die Verschlechterung der Wasserqualität ist vor allem auch für jene Seen von großer Bedeutung, die für die Trinkwasserversorgung genutzt werden.