Klimawandel

Meeresspiegelanstieg: Mindestens ein Meter bis 2100

Als „besorgniserregend“ werten Forscher die Zukunft der am Atlantik liegenden europäischen Länder. Mit einem Meeresspiegelanstieg von mindestens einem Meter bis Ende des Jahrhunderts sei zu rechnen.

Die direkten Auswirkungen des globalen Klimawandels zeigen sich der Studie zufolge in mehrfacher Hinsicht: Die Oberflächentemperatur des Atlantiks ist seit den 1890er-Jahren um fast ein Grad Celsius gestiegen, der pH-Wert des Meerwassers ist wiederum um etwa 0,1 pH-Einheiten gefallen. Und nicht zuletzt kam es auch zu einem Anstieg des Meeresspiegels im 20. Jahrhundert um elf bis 16 Zentimeter. Ein Vorgang, der sich angesichts der abschmelzenden Gletscher und Eisschilde in Grönland wohl noch beschleunigen wird.

Wassermassen verschieben sich

„Die europäischen Länder wären gut beraten, sich auf einen Anstieg von einem Meter oder mehr bis 2100 einzustellen“, erklärte Michael Norton, Umweltdirektor der der Dachorganisation der europäischen Wissenschafts-Akademien EASAC. Dieses Plus ist nicht nur auf eine Kombination aus thermischer Ausdehnung der Ozeane und dem zusätzlichen Wasser aus dem Abschmelzen der Eismassen zurückzuführen. Großen Einfluss werde speziell der Verlust der antarktischen Eismasse haben, deren Anziehungskraft auf die Ozeane sich dadurch verändert. „Wenn die Antarktis schmilzt, verschieben sich Wassermassen in Richtung nördliche Hemisphäre und der Meeresspiegel steigt um Europa herum noch schneller“, so Norton.

Ein entscheidender Faktor für das Klima Europas ist die atlantische Umwälzbewegung (Atlantic Meridional Overturning Circulation, AMOC), ein Teil der globalen Meereszirkulationsströme, die durch Unterschiede in Temperatur und Salzkonzentration verursacht werden. Die AMOC transportiert große Wärmemengen aus den Subtropen in die Arktis. Als sie vor 12.000 Jahren zusammenbrach, führte das zu einer massiven Abkühlung in Europa.

Ökologische Folgen unabsehbar

Modelle würden darauf hindeuten, dass sich die AMOC mit der Klimaerwärmung abschwächt. Doch laut EASAC-Studie zeigen neueste Messungen, dass die periodischen Schwankungen noch keine eindeutigen Trends erkennen lassen. Weil diese Zirkulation aber so wichtig ist und Änderungen nicht nur für Europa, sondern auch für das Klima Tausende von Kilometern weiter entfernt dramatische Folgen haben und Hunderte Millionen Menschen betreffen könnten, fordern die Wissenschaftler ein Frühwarnsystem.

Der steigende CO2-Gehalt in der Atmosphäre führt auch dazu, dass die Ozeane weltweit versauern – ein Trend, der sich durch Veränderungen in der Wasserzirkulation noch verschärfen könnte. Für die Bewertung der mit der Versauerung verbundenen Risiken für marine Ökosysteme und die kommerzielle Fischerei fehlen Informationen, heißt es in der Studie, die auch darauf hinweist, dass die Erwärmung der Meere bereits die Erträge der Fischerei vermindert. Um zu einer nachhaltigen Fischerei zu kommen, müsse viel besser verstanden werden, wie marine Ökosysteme auf den Klimawandel reagieren.

Auch die Winde sind im Wandel

Die Änderungen der Meeresströmungen und des damit verbundenen Wetters könnten auch die Versorgung mit erneuerbarer Energie beeinflussen. So verweist die Studie auf Untersuchungen in der Nordsee, wonach Veränderungen in den künftigen Windmustern zu einem Rückgang der in Offshore-Windparks erzeugten Energie um drei Prozent führen könnte.

„Wir haben den Planeten bereits so erwärmt, dass das Eis schmilzt – aber wie schnell das passiert, ist entscheidend für unsere Zukunft“, erklärte der Vorsitzende der EASAC-Expertengruppe, Tor Eldevik, von der Universität Bergen (Norwegen). „Zukünftige Veränderungen der Ozeane hängen von Erfolg oder Misserfolg beim Stopp der Erderwärmung ab.“ Nach Ansicht der Wissenschaftler gibt es nur eine mögliche Abhilfe: Die Emissionen müssten gesenkt und die Kohlenstoffaufnahme durch Wälder und andere Kohlenstoffsenken erhöht werden.