UNDP-Chef

„Nicht so weitermachen wie bisher“

Covid-19, Klimawandel, wachsende Ungleichheit: Für Achim Steiner, Leiter des UNO-Entwicklungsprogramms (UNDP), ist es unabdinglich, die soziale und wirtschaftliche Entwicklung in Einklang mit der Natur zu bringen.

Damit wir Menschen und unser Planet gedeihen können, dürfen wir nicht so weitermachen wie bisher, meint Achim Steiner, der UNDP-Leiter, gegenüber dem ORF. Die Erde vergleicht er dabei mit einem Unternehmen: „Wenn wir eine jährliche ‚Unternehmensbilanz‘ machen würden, dann wird immer deutlicher, dass wir nicht nur über unsere Verhältnisse leben, sondern dass wir die Grundlagen unseres Unternehmertums zerstören.“

COVID-19 rückt weitere Probleme in den Fokus

In Zeiten der Coronavirus-Pandemie habe sich das Verständnis der Bevölkerung für grundlegende Probleme verschärft, so Steiner: „Wir erleben gerade, was Ungleichheit bedeutet – sei es bei der Versorgung mit Impfstoffen oder auch den sozialen Versicherungssystemen.“ Für den UNDP-Chef ist es zum Beispiel nicht verständlich, warum rund die Hälfte der Weltbevölkerung heute noch ohne soziale Sicherung leben muss. Durch den Virus habe sich außerdem gezeigt, wie schnell “die von Menschen gemachten Systeme – wie Infrastruktur, Bildung und Reichtum – bröckeln können“.

Obwohl die Pandemie die sozialen Ungleichheiten weltweit verstärkt habe, konnten in den letzten Monaten aber auch große Fortschritte etwa in den Bereichen der Digitalisierung und des Klimaschutzes gemacht werden. Steiner: „Die Welt ist heute viel fokussierter auf die Notwendigkeit beim Klima zu handeln, als noch vor der COVID-19 Pandemie.“ So habe es weltweit viele neue Zielsetzungen gegeben, die den Fortschritt rund um den Klimaschutz in den nächsten Jahren schnell vorantreiben könnten.

Ö1-Sendungshinweis

Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell: 14.6., 13:55 Uhr.

„Wichtig ist daher, dass wir in den nächsten Monaten und Jahren nicht zurück dorthin kommen, wo wir vorher waren, sondern zu erkennen, wo wir am verwundbarsten waren und wo wir am ehesten investieren müssen“, so Steiner. Als ein Beispiel für notwendige Investitionen nennt er den Ausbau des Breitbandnetzwerkes an Schulen, um Bildung in Zukunft auch während Pandemien und anderen Krisen garantieren zu können.

“Steuern auf Umweltzerstörung“

Wissenschaftler bezeichnen die Gegenwart als Anthropozän – jenes Zeitalter, in dem der Mensch zum dominanten Einflussfaktor auf den Planeten Erde geworden ist. Vor diesem Hintergrund hat das UNO-Entwicklungsprogramm in seinem 2020 Human Development Report den Human Development Index (Index der menschlichen Entwicklung) an die Belastungen der Erde angepasst. Der neue Index soll dabei als ein Maß dienen, um die extremen Belastungen zu erfassen, die von der Menschheit auf die Erde ausgeübt werden.

Für Steiner ist klar: „Wir leben im Anthropozän – wir können als Menschheit auch anders handeln!“ Ein nötiger Schritt sei etwa eine Änderung der weltweiten Steuersysteme. „Arbeit sollte in Zukunft steuerlich entlastet werden, damit Arbeitsplätze erhalten bleiben. Im Gegensatz dazu sollte aber das, was unsere Umwelt zerstört und damit unsere Volkswirtschaft in Zukunft beeinträchtigen wird, stärker besteuert werden“, so Steiner.

“Semesterfrage“ an der Universität Wien

Jedes Semester stellt die Universität Wien den Studierenden eine Frage zu einem Thema, das die Gesellschaft gerade bewegt. Dieses Mal lautet sie: „Was machen wir Menschen mit der Erde?“ Am Montag, dem 14. Juni 2021, wird ab 18 Uhr im Rahmen einer Online-Diskussion darüber gesprochen, wie das soziale und globale System in Zukunft gestärkt werden kann.

Auch Achim Steiner wird an der Diskussion teilnehmen und erklärt abschließend gegenüber dem ORF: „Wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen, der Öffentlichkeit und vor allem auch unseren jungen Menschen wirklich zuhören, dann können wir in Zukunft sehr wohl große Fortschritte machen.“ Einen Livestream zur Diskussion gibt es ab 18 Uhr hier.