Forscherhände beschriften Ampullen im Labor
Reuters/Molly Darlington
Reuters/Molly Darlington

Delta-Variante: Zeit bis Herbst nutzen

Seit einigen Tagen ist die Delta-Variante des Coronavirus auch in Österreich angekommen. Aus heutiger Sicht gefährdet sie die geplanten Öffnungen nicht. Aber: Die Zeit im Sommer muss laut Experten genutzt werden, um möglichst viele Menschen zu impfen – sonst gibt es im Herbst ein böses Erwachen.

Die Sieben-Tage-Inzidenz, also die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner, liegt derzeit nur noch bei 20. Immer mehr Menschen sind schon geimpft, es wird viel getestet – gute Voraussetzungen also für einen relativ normalen Sommer. Dass ihn die ursprünglich aus Indien stammende Delta-Variante des Virus verderben kann, ist aus jetziger Sicht wenig wahrscheinlich.

Aber: Laut Epidemiologen ist die Delta-Variante um 60 Prozent ansteckender als der ursprüngliche Alpha-Typ, sie steigert also das Risiko deutlich, dass ein infizierter Mensch auch andere ansteckt. Im Folgenden ein Überblick über die wichtigsten Fragen:

Wie gut schützt die Impfung vor der neuen Variante?

Sie schützt gut, wenn man voll immunisiert ist, also bereits zweimal geimpft. Die Schutzwirkung geht in diesem Fall im Vergleich zu den anderen Varianten nur sehr geringfügig zurück. Selbst wenn sich jemand infiziert, wie zuletzt in Italien bei einer Person beobachtet, gibt es meist keine schwere Erkrankung. Von einer sehr hohen Wirkung der Impfung hat zuletzt auch der oberste Epidemiologe der USA, Anthony Fauci, in einer Pressekonferenz gesprochen, deshalb müsse man Zeit gewinnen: „In einem Land, in dem sehr viele Menschen ohne Impfung oder nur einmal geimpft leben, darf diese Variante nicht die Oberhand gewinnen. Deshalb müssen wir zügig weiter impfen und nicht vorzeitig den Sieg über das Virus erklären“, so Fauci.

Müsste man, um auf Nummer sicher zu gehen, bei den Öffnungen auf die Bremse steigen?

Derzeit nicht, das sagt auch der österreichische Modellrechner Niki Popper gegenüber Ö1. Er betont, dass man genau beobachten und jene Menschen schnell isolieren muss, die sich mit der Delta-Variante angesteckt haben. Der Sommer werde ein Wettlauf mit der Zeit: „Die Mutation kann sich dort besonders gut ausbreiten, wo die Menschen noch nicht zweimal geimpft sind. Je mehr wir die Ausbreitung verlangsamen, umso mehr Menschen können in der Zwischenzeit voll immunisiert werden. Und dann können wir die Situation im Griff haben“, so Popper. In Sachen Impfgeschwindigkeit müsse man also im Sommer dranbleiben, damit im Herbst kein böses Erwachen folgt, wenn der positive Effekt der Saisonalität wieder wegfällt.

Großbritannien, einer der „Impf-Weltmeister“, wartet jetzt noch mit weiteren Öffnungsschritten: Warum kann sich das Virus trotz Impfung regional so stark ausbreiten?

Das hat mehrere Gründe: Zum einen sind in Großbritannien viele Menschen voll immunisiert, 30 Millionen – aber gerechnet auf die Gesamtbevölkerung ist das weniger als die Hälfte – bleiben 36 Millionen einmal oder gar nicht Geimpfte, bei denen das Virus gut andocken kann. Gekoppelt mit privaten Treffen und dem Gefühl, die Pandemie hinter sich zu haben, kann das regional schnell zu neuen Ausbrüchen führen. Da muss man dann genau hinschauen, um die Entwicklung einzubremsen – mit vielen Tests und teilweise auch mit Maßnahmen zur Kontakteinschränkung.

Großbritannien hat stark auf den Impfstoff von AstraZeneca gesetzt, der gerade wieder für Aufregung sorgt, und zwar in Italien, wo eine junge, erst 18-jährige Frau gestorben ist. Ist das ein tragischer Fall, der mit den bisher bekannten seltenen Nebenwirkungen zusammenpasst?

Ja, dieser sehr tragische Fall entspricht leider den sehr seltenen, aber sehr schweren Nebenwirkungen nach einer Impfung mit AstraZeneca. Die junge Frau ist laut derzeit vorliegenden Informationen an einer Gehirnvenenthrombose verstorben. Unklar ist derzeit noch, warum die Behandlung dieser Thrombose im Krankenhaus nicht geklappt hat. Das weiß man noch nicht genau und wird jetzt untersucht.

Die vielen Jungen in Italien, die jetzt auf ihre zweite Teilimpfung mit AstraZeneca warten, sollen einen anderen Impfstoff bekommen – in Deutschland wird ja auch schon kombiniert, wird auch Österreich diesen Weg gehen – also eine Kombination AstraZeneca mit Pfizer oder Moderna?

Es gibt dazu noch keine offizielle Stellungnahme, bisher wurde von nationalem Impfgremium und Gesundheitsministerium empfohlen, die Erstimmunisierung wird mit dem gleichen Impfstoff abzuschließen, also AstraZeneca mit AstraZeneca und so weiter. Aber man beschäftigt sich in den zuständigen Gremien intensiv mit dem Mischen von Impfstoffen, vor allem wenn es um eine erste Auffrischung im Herbst und Winter geht. Und da wird wohl auch Österreich den Weg gehen, das Mischen zu erlauben – insbesondere für die AstraZeneca-Geimpften, denn dieser Impfstoff wurde für Österreich ja gar nicht mehr nachbestellt.