Blutproben in einem Labor, ein Forscher greift nach einer Eprouvette
AFP – ATTA KENARE
AFP – ATTA KENARE

Vielversprechende Medikamente vor Zulassung

Die Impfkampagnen laufen in ganz Europa, doch die Pandemie ist noch nicht vorbei. Deswegen hofft die Medizin nach wie vor auf wirksame Medikamente, die einen schweren Verlauf verhindern. Studien zeigen: Einige Wirkstoffe sind vielversprechend, vier Medikamente stehen vor der Zulassung in Europa.

Vor Kurzem ließen die USA mit einem milliardenschweren Vorvertrag zum Kauf des experimentellen Coronavirus-Medikaments Molnupiravir aufhorchen. Dieses antivirale Medikament soll die Virenvermehrung im Körper blockieren und so eine schwere Covid-19-Erkrankung verhindern.

Zunächst für die Grippetherapie entwickelt, könnte das Medikament auch bei einer CoV-Infektion wirken. Dabei handelt es sich um eine Prodrug: Der Wirkstoff entsteht erst nach der Einnahme im Körper. Durch die Verstoffwechslung entstehen kleine Bausteine, ähnlich denen der RNA. Ein Wirkmechanismus, den der Molekularbiologe Florian Kabinger am Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie erforscht.

Fehler in die Virus-RNA einbauen

Diese RNA-ähnlichen Bausteine werden in die Virus-RNA eingebaut, haben aber kleine Fehler. „Das heißt, die virale RNA hat dann eine Reihe von Fehlern, die falsch übersetzt werden“, so Kabinger. Wenn sich diese Fehler häufen, kommt es zur „error catastrophe“, zur Fehlerkatastrophe. Das Virus kann sich nicht weiter vermehren bzw. andere infizieren.

Das Team des Max-Planck-Instituts konnte den Wirkmechanismus aufschlüsseln: Der aktive Metabolit von Molnupirarvir – der kleine RNA-ähnliche Baustein – geht eine Basenbindung mit der Virus-RNA ein, die aus den Nukleinbasen C, G, A und U besteht. Die untypische Verbindung mit einem A und einem G führe zu Fehlern in der Virus-RNA, die in besagte Fehlerkatastrophe führen können.

Auch bei anderen Viren einsetzbar

Entscheidend bei Molnupiravir ist ein früher Einsatz im Krankheitsverlauf, um die Vermehrung des Virus im Körper zu bremsen und so eine schwere Erkrankung zu verhindern. Jetzt müsse in den Zulassungsstudien die Sicherheit des Medikaments gezeigt werden, sagte Kabinger. Vorteilhaft sei jedenfalls die Wirkungsbreite des Medikaments, es wirke auch bei anderen RNA-Viren. „Einerseits könnte es für SARS-Cov-2-Mutanten interessant werden, andererseits auch für neue Viren, die man noch gar nicht kennt“, so der Molekularbiologe. Ein solcher zugelassener Wirkstoff würde eine schnelle medizinische Reaktion ermöglichen.

Am weitesten fortgeschritten sind derzeit die Studien zu monoklonalen Antikörpern. Vorbild dafür ist ein Antikörper, der aus dem Plasma eines Menschen gewonnen wurde, der Covid-19 überstanden hatte. Er wird kopiert und biotechnisch verbessert. Damit sei man sehr nah an dem Mechanismus dran, den der Körper selbst einsetzt, um das Virus zu bekämpfen, sagte Markus Zeitlinger, Leiter der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Medizinischen Universität Wien.

Frühe Behandlung entscheidend

„Diesen Mechanismus der monoklonalen Antikörper kennt man seit Jahrzehnten, aus der Infektiologie auch, aber vor allem aus der Onkologie und der Rheumatologie“, so Zeitlinger. Hier seien die klinischen Studien schon sehr weit fortgeschritten. Vier dieser Antikörper wurden bereits in großen Zulassungsstudien klinisch getestet. Und dort zeigte sich, dass der Zeitpunkt der Gabe entscheidend ist.

„Die größten Erfolge erzielt man bei ambulanten Patienten, das heißt, das sind Patienten, die sind CoV-positiv, haben leichte Symptome und haben ein hohes Risiko, dass sie schwer krank werden“, so Zeitlinger. Alle vier vielversprechenden Antikörper wurden bei der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) zur Zulassung eingereicht, in Ausnahmesituationen wird der Einsatz von der EMA bereits empfohlen. Eine allgemeine Zulassung erwartet Markus Zeitlinger aber erst im Lauf des Sommers.