Vorlesung in Hörsaal der WU Wien
APA/ROLAND SCHLAGER
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Hochschulen

Wie Unis inklusiver werden könnten

Universitäten sind in Österreich gesetzlich verpflichtet, Studentinnen und Studenten mit Behinderungen zu unterstützen. Mittlerweile gibt es für sie an allen Unis eine Ansprechperson. Um Hochschulen aber tatsächlich inklusiv zu gestalten, wäre ein Kulturwandel nötig, sagt eine Expertin – das würde allen Vorteile bringen.

Rund zwölf Prozent der Studierenden haben laut eigenen Angaben eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die sich auf ihr Studium auswirkt. Das zeigt eine Zusatzstudie der Studierenden-Sozialerhebung 2019. Besonders deutlich zugenommen haben psychische Erkrankungen, wie Depressionen oder Angststörungen (von 3,8 Prozent auf 4,9 Prozent).

Unterschiedliche Situationen an Unis und Fachhochschulen

Universitäten sind durch das Universitätsgesetz (Paragraph 2, UG) verpflichtet, Studierende mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten zu unterstützen, erklärt Angela Wroblewski, Hochschulforscherin am Institut für Höhere Studien in Wien. „Etwa durch einen alternativen Prüfungsmodus, wenn der vorgesehene Prüfungsmodus nicht möglich oder nicht geeignet ist. Oder eine Rückerstattung in Fällen, wo Studienbeiträge gezahlt wurden; das betrifft auch Urlaubsregelungen, also die Möglichkeit zu pausieren.“

Im Fachhochschulgesetz finden sich keine vergleichbaren Regelungen. Dementsprechend gibt es mittlerweile auch an allen Universitäten Anlaufstellen für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen, wohingegen nur an sechs Fachhochschulen über die Homepage eine Behindertenbeauftragte oder ein Behindertenbeauftragter auffindbar ist.

„Das heißt aber noch lang nicht, dass damit Inklusion verbunden ist“, sagt Wroblewski, die im Rahmen der Studie Inklusive Hochschulen das Angebot für Studierende mit Behinderungen und gesundheitlichen Beeinträchtigungen analysiert hat. „Weil es bei Inklusion stark darum gehen würde, den Zugang zur Hochschule für möglichst viele Gruppen aufzumachen und barrierefrei zu gestalten.“ Und barrierefrei wird eine Hochschule nicht durch Strukturen allein. Das zeigt sich auch darin, dass mehr als die Hälfte der Studierenden mit Beeinträchtigung angegeben hat, sich trotz konkreter Schwierigkeiten nicht an eine spezifische Anlaufstelle gewendet zu haben. Meist aufgrund der Annahme, dass dies nichts an der Situation geändert hätte.

Großes Potenzial von Diversitätsstrategien

Die Institutionalisierung von Strukturen, wie Behinderten-Referate oder Servicestellen, sei ein wichtiger Schritt, sagt die Hochschulforscherin. Dadurch werde sichergestellt, dass die Unterstützung nicht vom Engagement einer Einzelperson abhängig ist. Darüber hinaus habe sich die Erarbeitung einer Diversitätsstrategie bewährt. „Es geht dabei darum, möglichst viele Akteurinnen und Akteure an Hochschulen in eine Reflexionsprozess einzubinden, wo man Praktiken, Prozesse, auch Räumlichkeiten identifiziert, die Barrieren beinhalten.“ Lässt sich eine Institution auf so einen Prozess ein und wird dieser auch von der Leitung mitgetragen, könnten dadurch Veränderungen der Universitäts- und Fachhochschulkultur angestoßen werden.

Eine Veränderung in Richtung Inklusive Hochschule würde nicht nur Vorteile für Studierende mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen bringen, sagt Wroblewski. „Das hat auch Corona gezeigt, dass eine Beeinträchtigung durch ganz viele Faktoren entstehen kann.“ Auch eine schlechte Internetverbindung, Betreuungsverpflichtungen oder Berufstätigkeit können Hürden für Studierende darstellen. Eine Universität braucht Diversitätskompetenz. Diese zu erarbeiten ist ein Zeit- und Ressourcenintensiver Prozess, der sich jedoch lohnt.

Beispiel Musikuni Wien

Das zeigt das Beispiel der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien (mdw), die sich stark mit dem Thema Inklusion beschäftigt und Antidiskriminierung als leitenden Grundsatz in der Institution verankert hat. Um die mdw möglichst barrierefrei zu gestalten, wurden beispielsweise die Zulassungsverfahren überarbeitet. Bereits bei der Anmeldung können Studierende ihre Bedürfnisse bekannt geben; seien es größere Angabezettel, da man schlecht sieht oder einfach mehr Zeit, da man stottert. An der Universität wurde dadurch viel Wissen und Verständnis geschaffen – über Beeinträchtigungen und die Vorteile, die eine inklusive Hochschule hat.