Oberfläche eines Smartphones mit Logos von Instagram, Twitter, Facebook (Soziale Medien)
AFP/DENIS CHARLET
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Soziale Medien

Beschimpfungen zahlen sich aus

In sozialen Netzwerken können Freundschaften gepflegt werden, oft aber geben Hohn und Verleumdung den Ton an. Gegner werden offen beschimpft und angegriffen. Für Politiker zahlt sich das tatsächlich aus. Eine Studie aus den USA zeigt: Solche Attacken werden doppelt so oft geteilt wie Posts zur eigenen Partei.

Der ehemalige US-amerikanische Präsident Donald Trump war ein Meister dieses Fachs. Seine Gegner attackierte er vorzugsweise via Twitter, er nannte sie etwa „betrügerisch“, „dreckig“ oder „ekelhaft“. Mittlerweile wurde sein Account sogar dauerhaft gesperrt. Auslöser war der Sturm auf das US-Kapitol durch Anhänger. Aber auch sein Nachfolger John Biden weiß die Macht von Beschimpfungen zu nutzen. Sein Tweet „Donald Trump ist der schlechteste Präsident, den wir jemals hatten“ im September 2020 erzielte etwa zwei Millionen Likes.

Offensichtlich ist auch dem 78-jährigen Demokraten bzw. seinem Team klar, wie gut sich emotionale Botschaften medial verkaufen. Wie die Forscher um Steve Rathje von der University of Cambridge in ihrer soeben im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ erschienenen Studie schreiben, werden moralische und emotionale Inhalte viel häufiger geteilt. Besonders beliebt seien zornige und entrüstete Statements. Das zeigen frühere Studien. Dass in diesem emotional aufgeladenen Begegnungsräumen auch die Gruppenzugehörigkeit eine maßgebliche Rolle spielt, ist weder überraschend noch neu. Die aktuelle Arbeit von Rathje und Co. unterstreicht allerdings, wie einflussreich Gruppenkonflikte beim Kampf um Aufmerksamkeit sind.

Doppelte Reichweite

Insgesamt wurden dafür mehr als 2,7 Millionen Posts auf Twitter und Facebook auf ihren Inhalt analysiert und gleichzeitig ihre Reichweite erfasst, ein Teil stammte von liberalen bzw. konservativen US-Medien (2018-2020), ein weiterer von demokratischen und republikanischen Kongressabgeordneten (2016-2020). Egal von welchem politischen Lager sie verfasst waren, erzielten Aussagen über die jeweiligen weltanschaulichen und politischen Gegner die größte Reichweite. Sie wurden doppelt so häufig geteilt wie Posts zur eigenen Gruppe.

Jeder Begriff, der sich auf einen Gegner bezog, also aus konservativer Sicht etwa „Biden“ oder „liberal“, erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass das Statement geteilt wurde, um 67 Prozent. Die feindliche Gruppe zu beschimpfen, ist laut den Studienautoren auch fünfmal wirksamer als negativ aufgeladene Aussagen im Allgemeinen.

Polarisierung nimmt zu

„Den politischen Gegner zu attackieren, ist jedenfalls die wirkungsvollste Taktik, wenn es um Reichweite geht“, meint Rathje in einer Aussendung zur Studie. Das gelte für Medien genauso wie für Kongressabgeordnete aus beiden Lagern. Bei letzteren sei der Effekt noch deutlicher ausgeprägt. „Unsere Arbeit legt nahe, dass der Hass auf den Gegner viel mehr Aufmerksamkeit erhält als Freundlichkeiten innerhalb der Lager,“ ergänzt Rathje. Das zeige auch die Verwendung von Emojis: Posts über den Gegner erhielten zweimal so viel zornige Gesichter als Herzchen für Aussagen zur eigenen Gruppe verteilt wurden.

Diese Tendenz befördere ein gefährliches politisches Klima. Es sei bereits viel darüber geschrieben worden, auf welche Weise soziale Medien der Spaltung der Gesellschaft Vorschub leisten. Meist bezieht sich die Kritik auf Echoräume, in denen sich die eigene Weltsicht bestätigt. Die Feindseligkeit sei wohl ebenso wichtig. Laut den Forschern wird der Diskurs auf den großen Plattformen von den falschen Anreizen getrieben. Das könne sich nur ändern, wenn die Betreiber ihre Algorithmen komplett überdenken. Beispielsweise könnte man polarisierende Inhalte sanktionieren und konstruktive Posts belohnen.