Silke Pichler beim Ironman Austria 2007 am Klopeiner See
Silke Pichler
Silke Pichler
Olympia-Porträts

Drei Modellorganismen, drei Sportarten

Als Zellbiologin hat sich Silke Pichler mit den Modellorganismen Hefe, Fruchtfliege und Fadenwurm beschäftigt. Im Sport blieb sie der Zahl Drei treu: Als Triathletin schwamm, radelte und lief sie für Österreich auch bei Weltmeisterschaften. Heute verbindet Pichler die beiden Bereiche auf fruchtbare Weise – und gibt ihr Wissen als Trainerin weiter.

Zellbiologie und Triathlon haben auf den ersten Blick wenig miteinander zu tun. Außer vielleicht: Beides braucht sehr viel Zeit. „Wenn man einen Ironman-Triathlon bestreitet, dauert das an die zehn Stunden“, erzählt Silke Pichler gegenüber science.ORF.at. „Und im Labor gab es auch viele Tage, wo ich zwölf bis fünfzehn Stunden konzentriert arbeiten musste. Auch ein Ironman braucht viel Konzentration und mentale Stärke.“

Eine harte Entscheidung

Eine Kombination, die die 48-jährige Klagenfurterin in beiden Bereichen auf Weltklasseniveau brachte. 2006, bei ihrem ersten Ironman Hawaii, dem berühmtesten Triathlon weltweit mit 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42 Kilometer Laufen, trat sie als Einzelkämpferin an – und belegte in ihrer Alterskategorie den 42. Rang. Ihre Leistung überzeugte den Trainer des österreichischen Nationalteams derart, dass sie danach Teammitglied und Profiathletin wurde. Damit war eine Entscheidung gefallen – für den Sport und gegen eine weitere Karriere als Wissenschaftlerin. „Das war hart, aber ich musste mich auf einen Bereich konzentrieren“, sagt Pichler beim Online-Interview in Fulham/London.

Silke Pichler beim Radtraining
Silke Pichler – privat
Pichler beim Radtraining 2010

Die Karrierestationen waren bis dahin durchaus prominent: Studium der Biochemie und Genetik an der Universität Wien, Diplomarbeit am Institut für Molekulare Pathologie in Wien, PhD am Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL) in Heidelberg, Postdoc beim Nobelpreisträger Eric Wieschaus an der Princeton University in den USA und danach Forschungsstelle im Fachbereich Genetik an der Universität Cambridge in Großbritannien.

Zellteilung und Höhenmeter in Heidelberg

Sport hat dabei auch schon immer eine wichtige Rolle gespielt. „Ich hatte Glück, dass ihn meine Vorgesetzten immer unterstützt haben“, erzählt Pichler. So vergingen die Tage meist mit Radtraining in der Früh, Stunden im Labor, Lauftraining zu Mittag, weiteren Laborstunden und Abendtraining. In Heidelberg sorgte die Topografie für Abwechslung – das EMBL liegt auf einem Berg, und hier kam Pichler vor und nach der Arbeit auch auf entsprechende Höhenmeter.

In Heidelberg bestritt sie 2000 auch ihren ersten Triathlon, wissenschaftlich beschäftigte sie sich damals mit der frühen Zellteilung von Fadenwürmern – einem Modellorganismus der Zellbiologie. „Bei ihnen ist schon die erste Zellteilung asymmetrisch, d.h. schon zu diesem Zeitpunkt differenzieren sich die Zellen“, erklärt Pichler. „Wir haben nach jenen Genen gesucht, die an diesem Vorgang beteiligt sind, und nach Mutanten, die zu einer abnormalen Entwicklung führen.“

Silke Pichler beim UK Ironman 2006 in Sherborne
Silke Pichler
Pichler beim UK Ironman 2006

Science goes Olympia

Während der Olympischen Spiele stellen wir eine Reihe von Wissenschaftlerinnen vor, die auch Spitzensportlerinnen sind oder waren: zu hören in Ö1 Wissen aktuell, zu lesen in science.ORF.at. Bisher erschienen:

Eine klassische Grundlagenforschung, die sie unter den renommierten Zellbiologen Anne Ephrussi und Anthony Hyman durchführte (hier die Forschungsarbeiten). Später durchsuchten deren Teams das menschliche Erbgut nach ähnlichen Genen – potenziellen Krebserregern – und erforschten den Mechanismus, der durch Mutationen gestört war, genauer. Zu diesem Zeitpunkt hieß es für Pichler allerdings schon „Schwimmen, Radfahren und Laufen“ statt „Hefe, Fadenwurm und Fruchtfliege“.

Synthese aus Sport und Wissenschaft

Auch an der Uni Cambridge wurde ihr Faible unterstützt – die Briten verfolgen seit Langem ein sportfreundliches Programm, der jährliche Ruderwettbewerb mit den Konkurrenten aus Oxford ist dafür nur das bekannteste Beispiel. Von Cambridge aus entwickelte Silke Pichler auch den dritten Teil ihrer Biografie – quasi eine Synthese aus Sport und Wissenschaft. Sie arbeitet seit Jahren in London als persönliche Fitnesstrainerin, ihre Klientel ist mannigfaltig und reicht vom Cambridger Rugbyteam bis zu gestressten Managern aus der Wissenschaft.

„Wahrscheinlich weil ich Wissenschaftlerin bin, interessieren mich Leute mit medizinischen Problemen aber am meisten – von hohem Blutdruck über Rückenschmerzen bis zu Depressionen.“ Ein besonderer Schützling war der Schwimmer Liam Barnett, dem vor zehn Jahren eine Leber transplantiert wurde. Mit der Hilfe von Pichler und dem Sportcoach Brendan Chaplin gelang es Barnett, mehrere Schwimm-Goldmedaillen bei den Weltspielen der Transplantierten zu gewinnen.

“Hilft Krisen zu meistern“

„Sport kann Menschen in einer gesundheitlichen oder mentalen Krise helfen“, sagt Pichler. „Auch mir hat er immer wieder Kraft gegeben, schwierige Situationen durchzuhalten. Das versuche ich auch meinen Klienten weiterzugeben.“ Im Coronavirus-Jahr 2020/21 war das besonders schwierig. Die Fitnesscenter in Großbritannien waren ebenso geschlossen wie hierzulande, Trainerinnen wie Pichler konnten nicht arbeiten.

Aber sie hat das Beste aus der Situation gemacht und trainiert heute nicht nur Kunden in ihrem Stamm-Fitnesscenter im Zentrum Londons, sondern an einer britischen Klinik auch junge Menschen, die psychische Probleme haben. Pichler selbst betreibt weiter Sport auf hohem Niveau: Noch vor zwei Jahren nahm sie an einem Ultramarathon über 100 Kilometer teil. Für die Themen ihrer Zeit als Wissenschaftlerin interessiert sie sich ebenfalls weiterhin – durch intensive Lektüre der einschlägigen Online-Publikationen.