Vergleich

In den 1950er-Jahren mehr späte Geburten als heute

Es gilt als junges Phänomen, dass viele Frauen immer später Kinder bekommen. Tatsächlich wurden aber in den 1950er-Jahren mehr Kinder von über 40-Jährigen geboren als heute. Das zeigt die Studie einer Wiener Forscherin. Allerdings steigt der Anteil von Frauen, die erst spät ihr erstes Kind gebären, seit den 1990er-Jahren rapid an.

Eva Beaujouan von der Universität Wien, die im Vorjahr einen hochdotierten „Consolidator Grant“ des Europäischen Forschungsrats (ERC) erhalten hat, arbeitet am Institut für Demographie der Uni Wien und gehört zum „Wittgenstein Centre for Demography and Global Human Capital“. In ihrem Projekt hat sie, damals noch an der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien tätig, späte Geburten in 19 Industrienationen in der Zeit von 1950 bis 2016 untersucht. Sie verwendete dazu vor allem Daten aus der „Human Fertility Database“, berücksichtigte aber auch Daten zu Vätern, die bis 1990 zurückreichen.

Der Trend scheint eindeutig: Immer mehr, immer besser ausgebildete Frauen, die sich zunächst auf ihre Karriere konzentrieren und teilweise mit schlechten wirtschaftlichen Bedingungen oder fehlender Kinderbetreuung zu kämpfen haben, verschieben die Familiengründung in ein immer höheres Alter. Tatsächlich war die Zahl der Erstgeburten von über 40-Jährigen noch nie so hoch wie in den vergangenen Jahren, und „in mehreren Ländern hält der Anstieg später Geburten weiter an und beschleunigt sich sogar“, schreibt Beaujouan in ihrer nun im Fachjournal „Population and Development Review“ veröffentlichten Arbeit.

Wieder mehr über 40-Jährige

Beim Blick zurück überrascht allerdings, dass es auch zu Beginn der 1950er-Jahre einen hohen Anteil an Geburten von über 40-Jährigen gegeben hat. In den Niederlanden etwa hatte jedes zwölfte Kind eine Mutter, die bei der Geburt 40 Jahre oder älter war. Insgesamt schwankt der Anteil der späten Geburten zu diesem Zeitpunkt zwischen 2,5 Prozent (USA) und acht Prozent (Niederlande).

Bis Mitte der 1980er-Jahre geht dieser Anteil in allen untersuchten Ländern auf unter zwei Prozent zurück, bevor er in den meisten Staaten dann langsam wieder ansteigt. In Italien liegt der Anteil von Geburten von über 40-Jährigen mittlerweile wieder bei über sechs Prozent, in Österreich bei rund vier Prozent.

Ältere Erstgebärende

Ein anderes Bild zeigt sich allerdings, wenn man ausschließlich auf Erstgebärende schaut: Da bleibt der Anteil an Frauen, die älter als 40 ihr erstes Kind zur Welt bringen, seit den 1950er-Jahren die meiste Zeit überall unter einem Prozent. Erst seit den 1990er-Jahren steigt der Anteil später Erstgeburten deutlich an und erreicht bis 2016 je nach Land Anteile von zwei (z.B. USA oder Niederlande) bis über fünf Prozent (Italien). In Österreich liegt dieser Wert bei knapp drei Prozent.

Die unterschiedlichen Entwicklungen erklären sich die Wissenschaftler damit, dass in den 1950er-Jahren die späten Geburten vor allem auf Geschwisterkinder entfielen, die Frauen also ihre zweiten, dritten, vierten, usw. Kinder mit über 40 zur Welt brachten. Zudem seien zu dieser Zeit Ehen meist später geschlossen worden als in den 1970er-Jahren und die Verhütung damals weitaus schwieriger und seltener gewesen als in den darauffolgenden Jahrzehnten. Dass die späten Geburten seit den 1990er-Jahren wieder deutlich ansteigen, geht vor allem auf Erstgebärende zurück, die ihre Familiengründung aufgeschoben haben.

Anstieg durch Reproduktionsmedizin

Beaujouan zeigt in der Studie auch, dass der Anteil an Müttern, die sehr spät (45 Jahre oder älter) ihr erstes Kind bekommen, seit den 1990er-Jahren deutlich zugenommen hat. Diese sehr späten Geburten machen zwar nicht viel an der Gesamtzahl aller Geburten aus (zwischen 0,1 und 0,4 Prozent), ihr Anteil hat sich aber in vielen Ländern in diesem Zeitraum verdoppelt bis vervierfacht. Mit der modernen Reproduktionsmedizin seien hier in vielen Ländern weitere Anstiege wahrscheinlich, schreibt Beaujouan.

Im Gegensatz zu den Frauen ist bei den Männern ein vergleichsweise moderater Anstieg später Vaterschaften zu verzeichnen – wobei die Wissenschaft die Grenze für eine sehr späte Vaterschaft bei den Männern höher angesetzt hat, da diese theoretisch bis ins hohe Alter zeugungsfähig sind und häufig der ältere Elternteil sind. Der Studie zufolge stieg der Anteil über 55-jähriger Väter seit 1990 in den meisten Ländern langsamer als jener der über 45-jährigen Frauen.