Kühe am Morgen auf einer Almwiese
APA/dpa/Angelika Warmuth
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Wiederverwertung

Mit Bakterien aus Kuhmägen Plastik recyceln

In der Pansen-Flüssigkeit von Kühen haben österreichische Forscherinnen und Forscher Mikroben identifiziert, die Plastik in seine Einzelteile aufspalten können. In Zukunft könnte das Nebenprodukt der Fleischindustrie dafür eingesetzt werden, Plastikmüll auf natürliche und umweltschonende Weise zu recyceln.

Plastik gilt bekanntermaßen als ein Material, das nur sehr schwer in seine Einzelteile zerlegt werden kann. Davon zeugen auch die Müllberge voller Plastikflaschen und Verpackungen, die sowohl am Land als auch im Wasser immer größer werden. Eine Möglichkeit dem umweltschädlichen Wegwerfen von Plastik in Zukunft entgegenwirken zu können, fanden nun österreichische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um die Chemikerin Doris Ribitsch von der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU). „Weil schon frühere Studien gezeigt haben, dass Mikroorganismen Enzyme produzieren können, die plastikähnliche Materialien aus der Natur aufspalten können, haben wir deren Wirkungen auch an synthetischen Materialen getestet“, erklärt Ribitsch gegenüber dem ORF.

Pansen-Flüssigkeit untersucht

So war den Forschern im Vorhinein bekannt, dass die natürliche und polyesterähnliche Substanz Cutin von Mikroorganismen zerlegt werden kann. Cutin kommt in der Natur recht häufig vor und sorgt zum Beispiel in der Apfelschale für das wächserne Aussehen der Früchte. „Wir haben uns dann gefragt, wo wir solche Mikroorganismen in großer Anzahl in der Natur auffinden können und sind auf die Pansen von Rindern gekommen. Da Wiederkäuer sehr viel pflanzliches Material aufspalten müssen, sind wir davon ausgegangen, dass die gesuchten Mikroorganismen in deren Pansen-Flüssigkeit vorhanden sind“, so Ribitsch.

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Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in Wissen aktuell am 2.7. um 13:55

Nachdem sie erfolgreich festgestellt hatten, dass die Mikroorganismen tatsächlich in Kuhmägen gebildet werden, starteten die Forscherinnen und Forscher die Untersuchungen. Sie wollten herausfinden, ob die von den Mikroorgansimen erzeugten Enzyme auch künstlich hergestellte Polyester aufspalten können. Dazu besorgte sich das Team Pansen-Flüssigkeit in großen Mengen von Schlachthäusern, wo die Flüssigkeit sonst als Abfallprodukt gilt. Mit drei verschiedenen Arten von synthetischem Plastik wurden in weiterer Folge Experimente gestartet, bei denen die Substanzen sowohl als feines Granulat als auch als dünner Film mit der Pansen-Flüssigkeit vermischt wurden.

„Wir haben einerseits das als schwer abbaubar geltende Polyethylenterephthalat (PET) untersucht, aber auch zwei weitere neuere Plastikvarianten, die als bioabbaubar und recycelbar gelten“, beschreibt Ribitsch den Vorgang. Das Ergebnis: Alle drei Plastikarten konnten nach einer gewissen Zeit in der Pansen-Flüssigkeit in ihre Einzelteile aufgespalten werden.

Umweltfreundliches Recycling

Das Bad in der Pansen-Flüssigkeit sei laut Ribitsch also eine gute Möglichkeit, synthetisches Plastik auf natürliche Weise aufzuspalten: „Wir können damit die Polymere enzymatisch in ihre ursprünglichen Bausteine – die Monomere und Oligomere – zerteilen. Mit diesen Bausteinen können dann entweder neue Polymere oder komplett andere Moleküle hergestellt werden.“

Bei bisherigen Methoden PET-Flaschen zu recyceln gebe es oft mechanische Probleme, wodurch etwa die Qualität des recycelten Materials immer weiter abnimmt, so Ribitsch. Methoden des chemischen Recycelns würden diese Probleme nicht aufweisen, seien aber laut der Chemikerin nicht umweltfreundlich. Anders sehe das nun bei der Methode mit der Pansen-Flüssigkeit aus. Ribitsch weist darauf hin: „Der Rohstoff für Plastik – Erdöl – ist nicht unendlich verfügbar, deswegen müssen wir versuchen, das bereits produzierte Plastik so lange wie möglich nutzen zu können.“

Mikroorganismen arbeiten zusammen

Bisherige Forschungen auf dem Gebiet hätten, so Ribitsch, meist nur einzelne Mikroorgansimen und deren Enzyme auf die Fähigkeit untersucht, ob und wie sie Polymere aufspalten können. Die Pansen-Flüssigkeit schien das Plastik bei den Untersuchungen aber effektiver zerlegen zu können: „In der Flüssigkeit gibt es sehr viele verschiedenen Mikroorganismen, die viele Enzyme mit unterschiedlichen Aufgaben produzieren. Die Forschungsergebnisse lassen nun darauf schließen, dass diese Enzyme untereinander zusammenarbeiten, sich gegenseitig positiv beeinflussen und den Prozess so wesentlich effizienter machen.“

Die weitere Erforschung dieser Enzym-Synergien sei ein zukünftiges Ziel der Chemikerin, um bald möglichst effiziente Enzym-Cocktails für das industrielle Recycling herstellen zu können. Die Enzym-Cocktails könnten dann im Labor hergestellt werden, laut Ribitsch sei es aber auch denkbar, dass die Pansen-Flüssigkeit auch tatsächlich in der Praxis angewendet wird, da sie als Nebenprodukt der Fleischindustrie sonst nicht genutzt werden kann.