Diabetikerin spritzt Insulin
dpa/Gero Breloer
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Versorung

CoV-Pandemie verzögerte Diabetes-Diagnose

Durch die CoV-Pandemie ist es in einigen Bereichen zu Schwierigkeiten bei der Versorgung anderer Patientinnen und Patienten gekommen. Diagnosen wurden mitunter verzögert gestellt. Das dürfte auch bei Diabetes der Fall sein, genauer bei Kindern, die an Typ-1-Diabetes erkranken. Immer mehr erhalten die Diagnose erst, wenn sie lebensbedrohliche Symptome haben.

Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung: Das Immunsystem greift die Bauchspeicheldrüse an, die in Folge kein Insulin mehr erzeugt. Das fehlende Insulin muss zeitlebens medikamentös ersetzt werden. Wird die Krankheit nicht rechtzeitig diagnostiziert, besteht die Gefahr einer Ketoazidose. Dabei handelt es sich um eine schwere Stoffwechselentgleisung. Ohne medizinische Hilfe kann sie zu einem lebensgefährlichen diabetischen Koma führen.

Leider werde der Diabetes bei Kindern oft erst dann diagnostiziert, sagt Birgit Rami-Merhar, Leiterin der Diabetes Ambulanz an der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde am Wiener AKH. Lange lag man bei etwa 37 Prozent – im Jahr der Pandemie war das bei 53 Prozent der Betroffenen der Fall. „Das ist sehr besorgniserregend ist, die Tendenz ist absolut steigend: Es gibt verschiedene Ursachen, etwa dass die Eltern oder Betreuungspersonen nicht daran denken und auch nicht die Ärzte, die den Erstkontakt haben“, so die Kinderdiabetologin.

Die meisten Betroffenen entwickelten die typischen Symptome im Volkschulalter, wobei diese über Wochen und Monate auftreten, bevor die Erkrankung lebensbedrohlich wird. Dazu gehört viel zu trinken und oft aufs Klo zu gehen, nächtliches Einnässen, Gewichtsverlust oder Leistungsabfall. Die Symptome würden aber als solche zu oft nicht erkannt, so Rami-Merhar: „Es wird nicht daran gedacht, dass so ein Kind wirklich Diabetes haben könnte. Die Krankheit ist auch nicht so häufig, dass sie etwa bei den niedergelassenen Hausärzten oft vorkommt.“ Das führe häufig zu Fehldiagnosen und unnötigen Verzögerungen.

Höhere Standards und mobile Betreuung

Die Insulinversorgung würde zu spät beginnen. Und auch hier gebe es Herausforderungen in Österreich, sagt Rami-Merhar. Die Kinder optimal zu versorgen, sei schwierig: Neben den medizinischen Fachkräften brauche es Unterstützung durch Diätologinnen, Sozialarbeiter und Psychologinnen.

Ö1-Sendungshinweis

Heuer vor einhundert Jahren ist es gelungen, das lebenswichtige Insulin erstmals zu gewinnen. Wissen aktuell wirft diese Woche einen genauen Blick auf das lebensrettende Medikament, die Weiterentwicklung und die zukünftige Diabetesforschung. Den Anfang macht ein Blick in die Geschichte (Wissen aktuell, 5.7., 13:55)

Denn es gebe internationale Leitlinien zur Größe und Ausstattung der Versorgungszentren: „Kein einziges österreichisches Zentrum erzielt auch nur annähernd diese internationalen und nationalen Betreuungsstandards. Das heißt, hier wäre dringend noch eine Aufstockung des medizinischen Personals gefordert, um auch wirklich all diese Patienten optimal betreuen zu können.“

Wichtig wären auch mehr mobile Betreuungsteams, die Kinder und Eltern nach der Diagnose im Umgang mit der Erkrankung unterstützen, sagt Rami-Merhar, um etwa auch den Schulbesuch zu gewährleisten. Hier gebe es – mit Ausnahme von Wien – in vielen Bundesländern große Defizite.