„Wir konnten mehrere Klüfte beobachten“, sagt Attila Pausits, Studienhauptautor und Hochschulforscher an der Donau-Universität Krems (DUK), gegenüber science.ORF.at. „Zum einen betrifft das die Studienanfänger, die darunter gelitten haben, sich ohne persönliche Kontakte auf eine neue Institution und ein neues Studium einlassen zu müssen. Zum zweiten war es für viele Studierende eine Herausforderung, sich selbständig durch kompliziertes Material durchzuarbeiten – viele haben das nicht hinbekommen. Und drittens liegt auch die Vermutung nahe, dass Studenten und Studentinnen aus bildungsfernen Elternhäusern besonders negativ betroffen waren.“ Belastbare Daten dazu liefere die aktuelle Studie zwar nicht, es gebe aber in einzelnen Fallstudien starke Hinweise in diese Richtung.
Vom Notfall zur gezielten Entwicklung
An so gut wie allen Universitäten, gleichgültig ob staatlich oder privat, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen habe sich der gleiche Ablauf gezeigt: Im ersten Coronavirus-Semester ab März 2020 wurde auf Distance-Learning im Notfallmodus umgeschaltet. Im zweiten Semester ab Herbst 2020 kam es zu einer stärkeren strategischen Ausrichtung der Fernlehre, „richtig entfaltet hat sie sich aber erst im dritten Semester“, sagt Pausits. „Denn mediendidaktische und digitale Kompetenzen werden insbesondere durch den konkreten Einsatz im Distance-Learning überprüft und weiterentwickelt.“
Studie
Der Bericht „Distance Learning an österreichischen Hochschulen im Sommersemester 2020 und Wintersemester 2020/21“ ist auf der Website des Bildungsministeriums erschienen.
Ö1-Sendungshinweis
Dem Thema widmet sich auch ein Beitrag in „Wissen aktuell“: 6.7., 13.55 Uhr.
Das Fazit bisher: „Ohne Technologien geht es nicht, aber das persönliche Engagement der Lehrenden bleibt der zentrale Faktor“, so Pausits. So wurden zum Teil Lehrende, die abwechslungsreiche Lernunterlagen „altertümlich“ per E-Mail an die Studentinnen und Studenten verschickten, besser von ihnen beurteilt als Kollegen, die weniger gute Unterlagen über Onlinelernplattformen versandten. Ob ein Lektor oder eine Lektorin als gut wahrgenommen wird, hängt also nicht nur vom Einsatz der Medien ab.
Für zwei Drittel höherer Aufwand
Die Umstellung auf Distance-Learning war laut Studie für die Lehrenden eine große Belastung. Zwei Drittel von ihnen gaben in einer Befragung an, dass ihr Aufwand im Sommersemester 2020 höher oder viel höher war als zuvor. Speziell davon betroffen waren die externen Lektorinnen und Lektoren, die an großen Universitäten die Hälfte der Lehre oder mehr stemmen. Sie sind meistens prekär beschäftigt und hanteln sich über Verträge zu einzelnen Lehrveranstaltungen von Jahr zu Jahr.
Konkret untersucht wurde das in der DUK-Studie nicht, „wir haben aber Hinweise gefunden, dass die Situation der externen Lehrenden – etwa ihre unzureichende technologische Ausstattung – ein limitierender Faktor war, sich rascher auf die neue Situation anzupassen“, sagt Pausits. Das habe sich ab dem zweiten Coronavirus-Semester geändert – allerdings nicht, weil die Hochschulen den Externen im großen Stil Computer oder Ähnliches zur Verfügung gestellt hätten, sondern weil diese zu Hause selbst technologisch aufgerüstet haben. Eine nicht honorierte Anpassungsleistung, die durch eine inhaltliche ergänzt wurde – konkret durch die Entwicklung neuer Onlinelernformate und -lehrinhalte.
Kein Zurück zu „vor Corona“
Im Großen und Ganzen habe die Umstellung gut funktioniert, sagt der Hochschulforscher. Am meisten kritisiert hätten Studentinnen und Studenten die schwieriger gewordene Interaktion mit den Lehrenden. Daraus würden sich auch Schlüsse für die Zukunft ziehen lassen. Einen „Vor-Corona-Zustand“ werde es an den Hochschulen nicht mehr geben, auch dann nicht, wenn die Impfprogramme unter Studierenden ein voller Erfolg werden. Manche Erfahrungen der Coronavirus-Pandemie würden bleiben, etwa asynchrone Lehrveranstaltungen.
„Lehrende haben die Erfahrung gemacht, ihre Inhalte bei Onlinevorlesungen knapper und konzentrierter aufzuzeichnen. Das wird bleiben“, sagt Pausits. Diese Onlinevorlesungen könne jeder Student, jede Studentin zu einem gewünschten Zeitpunkt ansehen, danach würden in Zukunft Präsenztermine folgen, bei denen das Gesehene reflektiert wird.
Den Bericht hat ein DUK-Team rund um Pausits, Stefan Oppl und Magdalena Fellner in Zusammenarbeit mit dem Forum Neue Medien in der Lehre Austria (fnma) im Auftrag des Bildungsministeriums erstellt. Über 250 Einzelstudien und Artikel flossen darin ein, je ein Drittel stammte aus institutionellen Quellen (lieferte also die Sichtweise der Hochschulen), aus wissenschaftlichen Publikationen und aus grauer Literatur.