Thermometer bei Hitze vor der Sonne
APA/dpa/Fredrik von Erichsen
APA/dpa/Fredrik von Erichsen
Extremwetter

Noch sterben mehr Menschen bei Kälte

Wenn es zu heiß oder zu kalt ist, belastet das den menschlichen Organismus. Laut einer Studie aus 43 Ländern sterben jährlich fünf Millionen Menschen bei extremen Temperaturen, die meisten bei Kälte. Durch die Erderwärmung steigt allerdings die Anzahl der Hitzetoten, wie eine weitere Studie aus Europa bestätigt.

Wenn das Thermometer auf über 30 Grad steigt und auch die Nächte keine erholsame Abkühlung bringen, sollten sich besonders ältere und kranke Personen nicht zu sehr anstrengen und genug trinken. Denn die Hitze belastet den Körper. Im Extremfall kommt es zum Kreislaufkollaps oder zum Herzstillstand. Erst kürzlich berichteten Forscher, dass die Zahl der Hitzetoten durch die Klimaerwärmung weiter steigen wird. Laut ihrer Untersuchung gingen schon in den vergangenen 30 Jahren mehr als ein Drittel aller Hitzetoten direkt auf das Konto der Klimakrise.

Derzeit ist das Gesundheitsrisiko aber am unteren Ende der Temperaturskala noch deutlich höher. Bei eisigen Temperaturen sterben nämlich weltweit mehr Menschen als bei Hitze. Das unterstreicht eine soeben in „The Lancet Planet Health“ erschienene Studie, die Mortalitätsdaten der letzten zwei Jahrzehnte (2000 – 2019) aus 43 Ländern auf allen Kontinenten mit Wetterdaten korreliert hat. Erfasst wurde damit etwas weniger als die Hälfte der Weltbevölkerung und die weltweit wärmste Periode seit Beginn der Aufzeichnungen.

Gesundheitsrisiko Kälte

Laut dem internationalen Forschungsteam geht jährlich ein knappes Zehntel aller Todesfälle auf das Konto von suboptimalen Temperaturen. Im Untersuchungszeitraum waren das im Schnitt mehr als fünf Millionen Tote pro Jahr bzw. 74 Tote auf 100.000 Personen. Die meisten starben bei Kälte, weniger als ein Zehntel bei Hitze. Auch Kälte belastet das Herzkreislaufsystem, es kommen aber noch einige andere belastende Faktoren hinzu: Die Atemwege sind im Winter besonders anfällig, die Immunabwehr ist schwächer, virale und bakterielle Infektionen breiten sich schneller aus. So zählen etwa Lungenentzündungen zu den häufigen Todesursachen in der kalten Jahreszeit – eine Saisonalität, die sich nicht zuletzt bei Covid-19 zeigt.

Wie die Berechnungen zeigen, gibt es aber große regionale Unterschiede, wie sehr Menschen unter den „falschen“ Temperaturen leiden beziehungsweise wie gut sie damit umgehen können. Vermutlich liegt das auch an der gesundheitlichen Versorgung, der Infrastruktur und an wirtschaftlichen wie sozialen Faktoren. Laut den Studienautorinnen und -autoren gibt es die meisten wetterbedingten Todesfälle in Asien, mehr als die Hälfte der fünf Millionen Toten sind in dieser Weltregion zu verzeichnen, die meisten in Südostasien. Besonders betroffen sind große Küstenstädte mit hoher Bevölkerungsdichte. Die relativ meisten Kältetote weltweit gibt es in Subsahara-Afrika, Hitzetote hingegen in Osteuropa – fünf Mal mehr als im globalen Durchschnitt. Europa liege bei Kälte- und Hitzetoten über dem Schnitt, heißt es in der Studie.

Grafik zur regionalen Verteilung der Todesfälle

Grafik zur Übersterblichkeit durch Wetter
Monash University

Kurzfristig weniger Tote

Die Erderwärmung dürfte aber zumindest einen positiven Effekt haben: Die Todesfälle im Zusammenhang mit Kälte gehen nämlich insgesamt etwas zurück; im Untersuchungszeitraum um 0,51 Prozent. Die Hitzetoten werden allerdings mehr, seit 2000 habe ihre Anzahl um 0,21 Prozent zugenommen. Die Nettosterblichkeit in Folge der Witterung ist also heute sogar geringer als vor 20 Jahren.

Das Ende dieses positiven Trends ist allerdings bereits absehbar. Denn wenn die Klimaerwärmung fortschreitet, wird auch die absolute Zahl durch die Hitzetoten wieder steigen. Das zeigt eine weitere soeben in „The Lancet Planet Health“ erschienene Studie eines spanisch-französischen Forscherteams für Europa. Dafür wurden Daten zur Sterblichkeit und Temperaturaufzeichnungen aus 16 europäischen Ländern (darunter auch Österreich) von 1998 bis 2002 analysiert. In diesem Datensatz ließen sich gut sieben Prozent aller Todesfälle auf die Witterung zurückführen, bei Kälte gab es zehnmal so viele zusätzliche Tote als bei Hitze.

Hitzetote in Südeuropa

Mit Hilfe unterschiedlicher Szenarien der Erderwärmung haben die Forscherinnen und Forscher versucht, die zukünftige Entwicklung abzuschätzen. In allen Modellen werden die Kältetoten weniger, die Hitzetoten aber mehr werden, betont Hauptautorin Erica Martinez vom Barcelona Institute of Global Health in einer Aussendung: „Die Daten legen nahe, dass sich die Gesamtzahl der Todesfälle in den nächsten Jahren stabilisieren, dass sie vielleicht sogar abnehmen wird.“ Aber dann – irgendwann in der Mitte oder gegen Ende des Jahrhunderts – werde es bei den Hitzetoten einen markanten Anstieg geben, je nachdem wie sehr auch die Treibhausgasemissionen steigen. Und dann sterben womöglich tatsächlich mehr Menschen an Hitze als an Kälte.

Das wird nicht alle europäische Regionen gleichermaßen betreffen, betonen die Autoren, auch wenn sich der gesamte Kontinent so schnell erwärmt wie kein anderer. Gesundheitlich unter der Hitze leiden werden demnach vor allem die Menschen in den Mittelmeerländern.