Sonne am Himmel, ausgetrockneter Baum
APA/HARALD SCHNEIDER
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Material

Reflektierender Stoff kühlt an heißen Tagen

Chinesische Forscherinnen und Forscher haben einen Stoff entwickelt, der durch spezielle Fasern und Strukturen auch an heißen Sommertagen für Abkühlung sorgt. Kleidung aus dem reflektierenden Material kühlt den Körper um fünf Grad Celsius.

Der neu entwickelte Stoff des chinesischen Forscherteams unterscheidet sich – wenn entsprechend verarbeitet – optisch nicht von anderen handelsüblichen Textilien. In dem mehrlagigen Material stecken jedoch Jahre an Forschung, erklärt ein Entwickler des Stoffes, Yaoguang Ma von der chinesischen Universität von Zhejiang gegenüber dem ORF. „Der Stoff hat zwei wichtige Funktionen. Einerseits reflektiert er Sonneneinstrahlung, andererseits gibt er aber auch Körperwärme an die Umgebung ab“, so Yaoguang Ma. Die Forschungsergebnisse des chinesischen Teams wurden vor Kurzem in einer Studie im Fachmagazin „Science“ veröffentlicht.

Hitze wird ins All geschickt

Die kühlende Eigenschaft des mehrlagigen Materials entsteht laut Yaoguang Ma durch extrem kleine Strukturen aus Titanoxid und Teflon, die ultraviolettes und sichtbares Licht wie kleine Spiegel reflektieren können. Ein spezieller Mix aus Kunstfasern und Polylactiden machen es außerdem möglich, dass Körperwärme in Form von infraroter Strahlung an die Umgebung abgegeben wird. Dabei war es den Forschern jedoch wichtig, dass die Wärmeenergie nicht sofort von umliegenden Partikeln absorbiert wird.

Sie machten sich daher das sogenannte atmosphärische Fenster zunutze, das ein Wellenlängenintervall des Strahlungsspektrums beschreibt, für welches die Atmosphäre der Erde weitgehend durchlässig ist. Das Textil wurde so konzipiert, dass die darin enthaltenen chemischen Verbindungen Körperwärme absorbieren und sie dann als infrarote Strahlung in einer dem atmosphärischen Fenster angepassten Wellenlänge abgeben. Die Wärmeenergie bleibt somit nicht auf der Erde, sondern wird direkt ins All geschickt.

Kleidung kühlt fast um fünf Grad

Um die Wirkung des Stoffes zu überprüfen, produzierten die Forscher eine Weste, die zur Hälfte aus Wolle und zur anderen Hälfte aus dem kühlenden Textil bestand. Ein Student aus dem Forscherteam zog daraufhin die Weste an und setzte sich eine Stunde lang in die Sonne. Beim anschließenden Messen der Temperaturen auf der Haut des Studenten wurde festgestellt, dass die Seite unter dem neuen Stoff knapp fünf Grad kühler war als jene Seite, die mit Wolle bedeckt war.

Einen noch größeren Effekt konnten die Forscherinnen und Forscher bei einem Test mit Autos nachweisen. Dabei ließen sie drei Fahrzeuge 90 Minuten lang in der Sonne stehen. Eines davon war nicht abgedeckt, das zweite war mit einer handelsüblichen Autoabdeckung geschützt und das dritte Fahrzeug erhielt eine Abdeckung aus dem neuen Textil. Dabei wurde festgestellt, dass die Innentemperatur in dem Auto, das mit dem kühlenden Material geschützt war, um etwa 30 Grad kälter war als im Fahrzeug ohne Abdeckung.

Vielseitig einsetzbar

Trotz der kleinen Strukturen im Stoff und der Eigenschaft der Fasern, Strahlung zu speichern und abzugeben, ist das Material laut Yaoguang Ma weiterhin dehnbar, atmungsaktiv und sogar wasserdicht: „Egal ob bei Kleidung, Sonnenschirmen, Gebäuden, Zelten oder Autoabdeckungen – überall wo man einen kühlenden Effekt haben möchte, ist der Stoff theoretisch anwendbar.“

Die chinesischen Forscher seien aktuell in Verhandlungen mit großen Textilproduzenten und Kleidungsfirmen, denn der Stoff sei leicht zu skalieren und in großen Mengen herzustellen. Die Kosten für ein T-Shirt aus dem kühlenden Material würden, so der Forscher, in Zukunft vergleichbar mit anderen mittelpreisigen Kleidungsstücken sein. Für Produzenten wäre der neue Stoff im Vergleich zu handelsüblichen Materialien nur um knapp zehn Prozent teurer. Erleichterung könnte das Material daher auch bald in der aktuellen Pandemie bringen. Derzeit arbeite das chinesische Team nämlich daran, den Stoff in medizinischer Schutzkleidung und Gesichtsmasken zu verarbeiten.