Planet Venus im Dunkel des Weltalls
JAXA / ISAS / Akatsuki Project Team
JAXA / ISAS / Akatsuki Project Team
Leben auf der Venus

Die Sensation ist abgesagt

Letztes Jahr meinte ein Forscherteam Spuren von Leben auf der Venus entdeckt zu haben – doch nun mehren sich Zweifel an der Studie: Die vermeintlichen Lebensspuren könnten von Vulkanen stammen.

Wo Rauch ist, da ist normalerweise auch Feuer. Der Rauch ist in diesem Fall ein kleines, tetraederförmiges Molekül namens Phosphin. Diese Verbindung hat ein Team um die britische Astronomin Jane Greaves letztes Jahr in der Venusatmosphäre entdeckt – und daraus den Schluss gezogen: Mit herkömmlicher Chemie ist die Existenz des Gases nicht erklärbar, also muss es „biogenen“ Ursprungs sein.

Was im Klartext bedeutet, dass es auf der Venus Mikroorganismen geben sollte, die das Phosphin durch ihren Stoffwechsel erzeugen und es darüber hinaus irgendwie geschafft haben, den äußerst unwirtlichen Bedingungen auf diesem Planeten (extreme Hitze in Bodennähe, Schwefelsäure in den Wolken) zu trotzen.

Forscherteam rudert zurück

Das wäre wohl die wissenschaftliche Sensation des Jahres, wenn nicht sogar des Jahrzehnts gewesen. Doch leider musste Greaves ihre Behauptungen scheibchenweise zurücknehmen. Zunächst kam Kritik an den Messungen mit dem Radioteleskop ALMA auf, dann zeigte eine von Greaves und ihrem Team durchgeführte Neuanalyse, dass es wohl doch nicht so viel Phosphin in der Venusatmosphäre gibt wie ursprünglich angenommen, und schließlich vermuteten Forscher, bei dem Nachweis könnte es sich überhaupt um ein Artefakt handeln, das durch atmosphärisches Schwefeldioxid hervorgerufen wurde.

In den Chor der Kritik stimmt nun auch eine Publikation im Fachblatt „PNAS“ ein. Die Astronomen Jonathan Lunine und Ngoc Truong halten es sehr wohl für möglich, dass sich in der Venusatmosphäre Phosphin befindet, schlagen aber eine alternative Interpretation vor.

Alternative Erklärung: Vulkanismus

Das Molekül, so schreiben die beiden in ihrer Studie, dürfte durch Vulkane in die Atmosphäre gekommen sein, und zwar durch die Reaktion von Phosphorverbindungen aus dem Planetenmantel mit der atmosphärischen Schwefelsäure.

Phosphin-Molekül in der Venusatmosphäre
ESO / M. Kornmesser / L. Calçada & NASA / JPL / Caltech
Venusatmosphäre: Ein kleines Molekül wirft große Fragen auf

Auf ähnliche Ideen sind freilich auch schon andere Wissenschaftler gekommen, nur war bisher fraglich, ob Vulkanismus plus Plattentektonik plus Atmosphärenchemie auch ausreichen, um nennenswerte Mengen von Phosphin zu erzeugen. Laut den beiden Astronomen von der Cornell University geht die Rechnung auf – Lebewesen seien jedenfalls nicht notwendig, um die Phänomene erklären zu können.

„Phosphin erzählt uns nichts über Leben auf der Venus, sondern etwas über die Geologie der Venus. Unsere Befunde deuten auf aktiven Vulkanismus hin, entweder jetzt oder in der jüngsten Vergangenheit“, sagt Lunine. Sein Kollege Truong fügt hinzu: „Wenn wir aktive Vulkane nachweisen können, ist das für mich beeindruckend genug. Es muss ja nicht gleich außerirdisches Leben sein. Übrigens verstehen wir bis heute nicht wirklich, wie Mikroorganismen auf der Erde Phosphin herstellen. Das sollten wir uns genauer ansehen, bevor wir behaupten, das sei auf fernen Planeten der Fall.“

Softwarefehler: Zurück an den Start

Somit alles geklärt? Nicht unbedingt, denn das Team des ALMA-Teleskops hat in den letzten Monaten ein Softwareproblem entdeckt, das die bisherigen Messungen verzerrt haben könnte. Wie groß der systematische Fehler ist und welche Auswirkungen er hatte, wird sich laut dem Planetenforscher Colin Wilson von der University of Oxford erst zeigen. „Noch ist es zu früh, um sagen zu können, ob die Berg-und-Tal-Bahn des Phosphins zu einem Ende gekommen ist“.

Mit dem Nachweis von Leben auf der Venus sieht es nach all den erfolgten und noch ausständigen Korrekturen nicht allzu gut aus. Aber es gäbe andere Kandidaten. Forscher der University of Arizona haben etwa kürzlich versucht herauszufinden, wie all das Methan auf dem Saturnmond Enceladus entstanden sein könnte. Bei ihrer Bilanzrechnung sind sie nun auf eine Lücke gestoßen, die auf unbekannte Methanquellen hindeutet. Eventuell mikrobielles Leben? Das wollen die Studienautoren zumindest nicht ausschließen.