Thermometer in der Sonne
APA/GEORG HOCHMUTH
APA/GEORG HOCHMUTH
Klimakrise

Die Vermessung der Erwärmung

Immer mehr Hitzetage machen die Erderwärmung spürbar. Sie ist aber auch konkret messbar, etwa in der Zunahme der CO2-Konzentration in der Atmosphäre. Mit solchen Messungen können Klimaforscherinnen und -forscher zeigen, dass die Erwärmung vom Menschen verursacht wurde und welche Folgen sie hat.

Hitzewellen mit Temperaturen um die 50 Grad Celsius haben die Klimaerwärmung in den vergangenen Tagen für viele Menschen rund um den Globus spürbar gemacht. Die steigende Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre führe dazu, dass Extremwetterereignisse intensiver werden und ihre Häufigkeit verändern, sagt der Meteorologe Harald Rieder vom Institut für Meteorologie und Klimatologie der Universität für Bodenkultur Wien. „Das betrifft vor allem eine sehr deutliche Zunahme in den warmen Extremen, also Hitzetage, Sommertage oder Tropennächte, und gleichzeitig ist es zu einer deutlichen Abnahme von kalten Extremen gekommen.“

Klimarelevantes Kohlenstoffdioxid

Seit der Industrialisierung hat sich die globale Mitteltemperatur um zirka ein Grad Celsius erhöht. Österreich hat sich mit rund zwei Grad sogar noch stärker erwärmt. Die 30-Grad-Marke wird mittlerweile um durchschnittlich elf Tage früher erreicht als noch vor einigen Jahrzehnten. Besonders spürbar ist das im Gebirge, berichtet Elke Ludewig, Leiterin des Sonnblick-Observatoriums. Auf mehr als 3.000 Höhenmetern, am Gipfel des Sonnblicks gelegen, ist es Österreichs höchstgelegene Klima- und Umweltforschungsstation. „Wir sind in der freien Atmosphäre. Das heißt wir haben hier im Vergleich zu Städten keine Menschen, die irgendwie die Daten beeinflussen.“

Kohlekraftwerk stößt Gase aus
AFP – PATRIK STOLLARZ

Das macht die CO2-Messungen, die hier durchgeführt werden, so relevant. Sie geben Auskunft darüber, wie hoch die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist. „Wenn man in der Stadt ein CO2-Messgerät aufstellt, da fährt dann ein Auto vorbei, da gehen ständig Menschen vorbei. Da hat man dann so viel ‚Rauschen‘, dass diese Werte nicht wirklich aussagekräftig sind.“ Messstationen wie die auf dem Sonnblick oder dem Vulkan Mauna Loa auf Hawaii belegen den seit Jahrzehnten kontinuierlichen Anstieg der CO2-Konzentration. 2020 lag dieser bei mehr als 415 ppm und damit um rund 100 ppm höher als noch Ende der 1950er Jahre.

Menschengemachter Treibhauseffekt

Steigt die CO2-Konzentration in der Atmosphäre, verstärkt das den Treibhauseffekt. Sonnenstrahlung, die auf die Erde fällt, wird von dieser teilweise wieder reflektiert. Treibhausgase in der Atmosphäre lassen zwar die kurzwellige Sonnenstrahlung passieren, die langwellige Wärmestrahlung wird jedoch absorbiert. Die Atmosphäre erwärmt sich. Um herauszufinden, welcher Anteil dieser Erwärmung vom Menschen verursacht wurde, greift die Wissenschaft auf Radiokohlenstoffmessungen zurück. Das vom Menschen verursachte CO2 hat nämlich eine besondere Eigenschaft, erklärt die Umweltphysikerin Ingeborg Levin von der Universität Heidelberg. Es enthält keinen Radiokohlenstoff.

Ö1-Sendungshinweis

Der Vermessung der Erderwärmung widmet sich diese Woche auch eine Serie in Wissen aktuell.

Radiokohlenstoff, kurz C14, ist ein natürliches, radioaktives Isotop des Kohlenstoffs. Es wird ständig in der oberen Atmosphäre gebildet, wenn die Höhenstrahlung mit Luftmolekülen reagiert. Nach 8.000 Jahren zerfällt das C14. In fossilen Brennstoffen ist es daher nicht mehr vorhanden. Damit aus Pflanzenresten Kohle entsteht, dauert es nämlich Tausende Jahre. „Wenn ich nun diese Kohle aus der Erde hole oder auch Erdgas oder Erdöl aus der Erde hole und verbrenne, dann hat das CO2, das dabei entsteht, kein C14“, erklärt die Forscherin, die gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen ein globales Messnetz für atmosphärische C14-Messungen aufgebaut hat.

Industrie, Heizungen, Autos: In dicht besiedelten Gebieten wird viel fossiles CO2 freigesetzt. Dieses „verdünnt“ sozusagen das natürliche CO2. „Und diese Verdünnung. Das ist sozusagen unser Messsignal, an dem wir dann abschätzen können, wie viel fossiles CO2 jetzt in dieser dicht besiedelten Gegend vorhanden ist.“ Gemessen wird der C14-Anteil im atmosphärischen CO2 durch Zählrohre und seit einiger Zeit auch mit Hilfe von hochsensiblen Massenspektrometern, berichtet Ingeborg Levin. Relativ teure Messungen, die aber eindeutig und weltweit zeigen, dass der Anteil an fossilem CO2 in der Atmosphäre steigt.

Die Klimawandelfolgen modellieren

Das Klima verändert sich, und menschliche Aktivitäten sind maßgeblich dafür verantwortlich. Welche Konsequenzen das haben kann, wird in den Klimaszenarien des Weltklimarats IPCC sichtbar. Sie zeigen verschiedene Emissionsentwicklungen, je nach Bevölkerung, Energiesystem, Nahrungsmittelproduktion und Landnutzung. In der pessimistischen Version nehmen die Emissionen wie bisher zu, und die globale Mitteltemperatur erhöht sich um vier Grad Celsius. In der optimistischen gelingt die Transformation; die Klimaerwärmung kann auf unter zwei Grad eingedämmt werden.

Trockenheit: Rauch steigt im Amazonas-Regenwald auf
MARIE HIPPENMEYER/AFP

Das Problem an diesen Szenarien sei ihre begrenzte Auflösung von rund einhundert Kilometern, sagt Heimo Truhetz vom Wegener Center für Klima und Globalen Wandel der Universität Graz. „Also eine Gitterzelle hat sozusagen hundert mal hundert Kilometer Seitenlänge. Und das ist natürlich viel zu grob.“ Zu grob, um verlässliche Aussagen über Österreich treffen zu können. Der Forscher hat die globalen Modelle daher auf Regionalmodelle „runtergerechnet“. Die hochaufgelösten Regionalmodelle sind eingebettet in die grobmaschigen Globalmodelle. Sie enthalten aber auch neue Informationen. Sich verändernde physikalische Prozesse werden für die Region durchgespielt; Klimaänderungen sichtbar gemacht, wie die Zu- oder Abnahme von Niederschlag beispielsweise.

Doch für die regionalen gilt ebenso wie für die globalen: Es braucht viele verschiedene Modelle, um eine tragfähige Aussage treffen zu können, erklärt Heimo Truhetz. Klimaveränderung ist kein linearer Prozess; sondern einer, der durch Schwankungen gekennzeichnet ist. „Und diese Variabilität muss man versuchen einzufangen.“ Man erstellt daher Modellensembles, die in ihrer Summe ein möglichst akkurates Bild ergeben sollen. Regionale Modelle schaffen eine Auflösung von rund zwölf Kilometern. Mehr sei aufgrund der benötigten Rechenleistung nicht möglich, erklärt der Forscher. Die steigt nämlich überexponentiell: Wird die Gitterweite halbiert, verachtfacht sich die benötigte Leistung. Noch kleinräumigere Modelle werden daher mit statistischen Methoden erstellt. Hier fließen dann auch regionale Beobachtungsdaten wie zum Beispiel Temperaturmessungen ein.