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APA/dpa-Zentralbild/Matthias Hie
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Mäusestudie

Antibiotika könnten Hirnentwicklung beeinflussen

Das frühe Kindesalter ist eine sehr wichtige Phase in der Entwicklung unseres Gehirns. Wie Forscher nun in einer Studie an Mäusen aufzeigen, könnte der frühe Kontakt mit Antibiotika diese Entwicklung negativ beeinflussen. Noch ist unklar, ob die medikamentöse Behandlung bei Menschen ähnliche Auswirkungen hat.

Bereits seit etwa 20 Jahren erforscht der Mediziner und Mikrobiologe Martin Blaser von der Rutgers University in den Vereinigten Staaten die Auswirkungen von Antibiotika auf die Entwicklung von Kindern. Laut ihm ist es allgemein bekannt, dass Ärzte derartige Medikamente zu oft verschreiben, auch wenn diese gar nicht nötig sind. Die Folgen daraus könnten jedoch später im Leben zu Problemen führen, wie Blaser im Rahmen einer Studie, die im Fachjournal iScience veröffentlicht wurde, aufzeigt.

Junge Mäuse erhielten Penicillin

Für die Studie wurden Mäuse im Labor untersucht. „Einige der Mäuse haben von uns kleine Mengen an Penicillin noch vor der Geburt oder direkt danach verabreicht bekommen. Eine andere Gruppe erhielt zum Vergleich keine Medikamente“, erklärt Blaser gegenüber dem ORF. Penicillin sei laut dem Mikrobiologen ausgewählt worden, da es eines der am häufigsten bei Kindern angewandten Antibiotika ist.

Als die Mäuse etwa zehn bis fünfzehn Tage alt waren, wurden Darm und Gehirn der Tiere von den Forschern untersucht. Dabei fand Blaser mit seinen Kolleginnen und Kollegen heraus, dass der Kontakt mit Antibiotika auf beide Bereiche Auswirkungen hatte.

Mikrobiom und Genexpression verändert

Bereits in früheren Studien stellten die Forscher fest, dass der Stoffwechsel von Mäusen durch Antibiotika verändert war. Grund dafür seien generelle Auswirkungen der Medikamente auf das Mikrobiom – also der Gesamtheit aller Mikroorganismen, die die Tiere von Natur aus besiedeln. Auch in der aktuellen Studie ließ sich ein verändertes Mikrobiom im Darm der Mäuse nachweisen. „Würde man den Zusammenhang des veränderten Stoffwechsels mit dem frühen Antibiotika-Einsatz näher untersuchen, könnte das zum Beispiel einige Informationen dazu liefern, wieso mehr und mehr Personen auf der ganzen Welt übergewichtig sind“, so Blaser.

Die Forscher wollten darüber hinaus auch herausfinden, wie sich die Antibiotika auf die Hirnentwicklung der Tiere auswirken. Dafür wurden zwei Gehirnbereiche der Mäuse analysiert. „Wir haben den frontalen Cortex und die Amygdala untersucht, da diese Gehirnbereiche unter anderem für die Entwicklung von Emotionen und dem Gedächtnis sehr wichtig sind“, so Blaser. Bei jenen Tieren, die Penicillin bekommen hatten, war die Genexpression verändert. „Wir haben gesehen, dass sich viele Tausend Gene in den Köpfen dieser Mäuse anders verhielten als dieselben Gene in der Kontrollgruppe“, erklärt der Mikrobiologe. Laut Blaser ist dies ein Beweis dafür, dass Gehirne vor allem in den frühen Phasen der Entwicklung auf äußere Einflüsse, wie etwa Penicillin, reagieren und sich dadurch Auswirkungen auf das spätere Leben ergeben können.

Weiterführende Studien nötig

„In den letzten Jahrzehnten sind neurologische Störungen wie zum Beispiel Autismus, Aufmerksamkeitsdefizite oder Lernschwächen immer häufiger geworden. Ich glaube, dass die veränderten Genexpressionen, die durch einen frühen Einsatz von Antibiotika auftreten können, dafür zum Teil verantwortlich sein könnten“, so Blaser. Die aktuelle Tierstudie habe aber, wie die Forscher einräumen, dazu nur vorläufige Ergebnisse geliefert.

Weitere Untersuchungen in dem Bereich seien notwendig, um genau aufzuzeigen, wie sich die Gehirnentwicklung durch die Antibiotika verändert und welche Gene genau sich dadurch anders verhalten. „In nächster Zeit möchten wir die Studie wiederholen, um unsere Ergebnisse zu überprüfen. In weiterführenden Arbeiten möchten wir dann außerdem aufzeigen, ob die veränderten Genexpressionen im Gehirn direkt auf die Antibiotika zurückzuführen ist oder ob sie durch das aufgrund der Medikamente veränderte Mikrobiom der Tiere auftreten“, erklärt Blaser abschließend. Der Mikrobiologe hofft, mit den künftigen Forschungsergebnissen den oft unnötigen Einsatz von Antibiotika vor allem im frühen Kindesalter zu reduzieren.