Aufnahme der Spiralgalaxie NGC 4303
ESO/PHANGS
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Panoramablick

Die Feinstruktur des Firmaments

So detailreich hat man die Nachbargalaxien der Milchstraße noch nie gesehen: Neue Aufnahmen der Europäischen Südsternwarte zeigen, wie sich kosmische Gaswolken in leuchtende Sterne verwandeln.

Der „Totale Durchblicksstrudel“ ist nach Douglas Adams eine Maschine, die dem Menschen seine unendliche Winzigkeit im Universum vor Augen führt. Vom Gebrauch ist allerdings dringend abzuraten, denn der menschliche Verstand ist für solch dimensionale Spannbreiten gar nicht ausgelegt. Was passiert, wenn allzu Mutige es dennoch wagen, kann man im Roman „Das Restaurant am anderen Ende des Universums“ nachlesen.

„Können Entstehung direkt beobachten“

Glücklicherweise ohne gesundheitliche Nebenwirkungen ist ein Durchblick, den nun Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Europäischen Südsternwarte (ESO) veröffentlicht haben: Dabei handelt es sich um einen großflächigen Scan naher Galaxien, durchgeführt mit zwei in Chile gelegenen Teleskopen, dem Very Large Telescope (VLT) in der Atacama-Wüste sowie dem Radioteleskop ALMA in der Chajnantor-Hochebene der Anden.

Das von seinem Team erstellte Panorama diene letztlich dazu, mehr über den Lebenszyklus von Sternen zu erfahren, sagt ESO-Forscher Eric Emsellem. „Wir können direkt beobachten, wie Sterne aus Gas entstehen, wir sehen junge Sterne und wir können auch ihre Evolution über verschiedene Entwicklungsstadien hinweg beobachten.“

Wie Sterne geboren werden, ist grundsätzlich bekannt: Es beginnt damit, dass sich Materiewolken im All verdichten und aufgrund ihrer Schwerkraft in sich zusammenstürzen. Darauf folgt eine Phase, in der sich der Kern der Wolke aufheizt. Nach einem weiteren Kollaps hat die geballte Materie bereits die Gestalt eines strahlenden Protosterns, der noch weiter an Masse und Leuchtkraft zulegt.

Im Detail noch immer rästelhaft

Dieser Entwicklungspfad wurde bereits durch tausende Beobachtungen bestätigt, dennoch gibt es bei der Sternenentstehung immer noch offene Fragen, wie Kathryn Kreckel von der Universität Heidelberg betont: „Entstehen Sterne bevorzugt in bestimmten Regionen von Galaxien? Und falls ja: warum?“ Unbekannt ist laut Kreckel auch, inwieweit sich die verschiedenen Sternengenerationen beeinflussen und nicht zuletzt: das Verhältnis vom Ganzen und seiner Teile, also die Frage, wie die Galaxie selbst Einfluss auf die Geburt von Sternen nimmt.

All diese Fragen werden die Wissenschaftler erst durch die mühsame Zusammenstellung von Daten beantworten können. Auch wenn die theoretische Physik viele Phänomene voraussagen kann, spricht die direkte Beobachtung doch das letzte Wort: Die Vielfalt der Galaxien und der darin vorhandenen Geburtsstätten von Sternen ist enorm – wie groß, zeigt etwa ein kürzlich publizierter Atlas von knapp 100 Galaxien aus der näheren kosmischen Umgebung.

Fünf Galaxien im Vergleich
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Vielfalt der Formen: Die Galaxien NGC 1300, 1087 und 3627 (links oben bis rechts oben) sowie NGC 4254 und 4303

Nicht minder vielfältig sind die Bilder, die die ESO-Forscher jetzt veröffentlicht haben. Was da in bunten Farben für Medien und wohl auch für den eigenen Webauftritt der ESO aufbereitet wurde, ist in Wirklichkeit ein mehrschichtiges Mosaik, die Summe von unzähligen Messungen in unterschiedlichen Spektralbereichen. Der „Multi-Unit Spectroscopic Explorer“ (MUSE) am VLT ist etwa darauf spezialisiert, das warme Gas rund um junge Sterne wahrzunehmen und einen „Strahlungs-Barcode“ aller Regionen in seinem Blickfeld anzulegen. Die Auflösung hat mittlerweile ein Niveau erreicht, „sodass wir einzelne Wolken, Sterne und sternenbildende Nebel erkennen können“, sagt Francesco Belfiore von der Universität Cambridge.

Zufrieden sind Belfiore und seine Kollegen gleichwohl noch nicht, jetzt wollen sie die Auflösung weiter erhöhen, um sogar erkennen zu können, was im Inneren der Wolken und Nebel vor sich geht. Das wäre dann der ultimative Durchblick – nicht für das gesamte Universum, aber immerhin in der näheren Umgebung der Milchstraße.